Ab dem 1. Januar 2021 sind Ergänzungsleistungen unter gewissen Umständen von den Erben zurückzuerstatten, selbst wenn der Erblasser diese zu Lebzeiten rechtmässig bezogen hat.
Ergänzungsleistungen (EL) sichern das Existenzminimum, wenn Rente und Einkommen zur Deckung der minimalen Lebenskosten nicht ausreichen. Ab dem 1. Januar 2021 sind EL jedoch unter gewissen Umständen von den Erben zurückzuerstatten, selbst wenn der Erblasser diese zu Lebzeiten rechtmässig bezogen hat.
EL sind keine Leistungen der Sozialhilfe, sondern Sozialversicherungsleistungen, auf welche bei Vorliegen der Voraussetzungen ein verfassungsmässiger, unbedingter Anspruch auf Ausrichtung besteht.
Mit der Gesetzesänderung ab dem 1. Januar 2021 haben Einzelpersonen neu einen Anspruch auf EL, wenn ihr Reinvermögen weniger als CHF 100'000 beträgt. Bei Ehepaaren liegt die Vermögensschwelle bei CHF 200'000 (vgl. Art. 9a des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung [ELG]). Für die Berechnung des Vermögens wird das Wohneigentum nicht berücksichtigt, solange einer der Ehegatten darin lebt. Hingegen wird das Vermögen angerechnet, auf das eine Person freiwillig verzichtet, bspw. durch eine Schenkung/Erbvorbezug an die Nachkommen. Als freiwilliger Verzicht gelten Ausgaben von mehr als zehn Prozent des Vermögens pro Jahr. Bei einer Schenkung zu Lebzeiten wird somit unter Umständen das Recht auf EL verwirkt.
Weiter sehen die neuen Art. 16a und 16b ELG neu vor, dass die Erben die EL, welche der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod rechtmässig bezogen hat, aus dem Nachlass zurückzahlen müssen, wenn sich der Wert des Nachlasses auf mehr als CHF 40'000 beläuft. Massgebend für die Bestimmung des Werts des Nachlasses ist der Todestag des Erblassers. Rückzuerstatten sind dabei EL, die nach dem 1. Januar 2021 ausbezahlt werden.
Bei Ehepaaren entsteht die Rückerstattungspflicht erst im Nachlass des Zweitverstorbenen, sofern die Voraussetzungen nach wie vor gegeben sind.
Bei der Rückerstattungspflicht handelt es sich wohl um eine Erbgangsschuld, die nach dem Tod des Erblassers gegenüber den Erben entsteht. Die Erben haften für diese Schuld solidarisch, mithin kann jeder Erbe einzeln von der zuständigen Ausgleichskasse in Anspruch genommen werden (Art. 603 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [ZGB]). Die Rückerstattungspflicht beschränkt sich dabei jedoch auf den Nachlass, d.h. das Privatvermögen der Erben ist von der Rückerstattung ausgeschlossen.
Weil im Innenverhältnis der Erben untereinander aber keine Solidarität herrscht, muss derjenige Erbe, der die EL voll oder zumindest mehr bezahlt hat, als es seiner quotenmässigen Berechtigung am Nachlass entspräche, einen Regress- und Subrogationsanspruch gegenüber seinen Miterben geltend machen (vgl. Art. 640 ZGB).
Der Rückforderungsanspruch der zuständigen Ausgleichskasse erlischt grundsätzlich nach Ablauf eines Jahres, nachdem sie davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber nach Ablauf von zehn Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung.
Die neu eingeführten Änderungen widersprechen dem bisherigen Grundsatz, wonach rechtmässig bezogene Vorsorgeleistungen nicht zurückbezahlt werden müssen. Der Systemwechsel führt zudem aus erbrechtlicher Sicht zu einer Verkomplizierung der Nachlassabwicklung sowie zu einem erhöhten Planungsbedarf. Es ist deshalb zu empfehlen, diese Thematik in die Nachlassplanung miteinzubeziehen.