19. Juni 2024

Anpassung der Vertriebsanteile von Arzneimitteln per 1. Juli 2024

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Mit einheitlichen Vertriebsanteilen sollen per 1. Juli 2024 der Absatz von günstigeren Generika gefördert und damit die Gesundheitskosten gesenkt werden.

  • Luca Schärer

    Junior Legal Associate
  • Prof. Dr. Juana Vasella

    Legal Counsel

 

Update: Anpassung der Regelungen zur Berechnung der Vertriebsanteile

1. Einleitung

Im Dezember des vergangenen Jahres beschloss der Bundesrat, das Berechnungsmodell des Vertriebsanteils von rezeptpflichtigen Arzneimitteln anzupassen sowie einheitliche Vertriebsanteile für wirkstoffgleiche Arzneimittel einzuführen. Diese Anpassung wird nun per 1. Juli 2024 in Kraft treten.

Der Publikumspreis („PP“) eines Arzneimittels, der dem Endkonsumenten von Apotheken, Ärzten und Spitälern verrechnet wird bzw. den die obligatorische Krankenpflegeversicherung zahlt, setzt sich aus dem Fabrikationspreis („FAP“), dem Vertriebsanteil sowie der Mehrwertsteuer („MwSt“) zusammen. Mit dem Vertriebsanteil werden logistische Aufwendungen (wie Personal-, Transport- und Lagerkosten) abgegolten, wobei sich dieser aus einem preisbezogenen Zuschlag und einem Zuschlag pro Packung zusammensetzt (Art. 38 Abs. 1 und 2 KLV). Der FAP ist der Preis, den der Hersteller für das Arzneimittel ab Fabrik in Rechnung stellt.

Der Vertriebsanteil ist umso höher, je teurer ein Arzneimittel ist. Daraus werden laut dem Bundesamt für Gesundheit („BAG“) Fehlanreize geschaffen, indem die Marge der Ärzt*innen oder Apotheker*innen mit steigendem PP wächst und somit der Verkauf von Arzneimitteln des teureren Segments bevorzugt werden kann. Im Vergleich zum Ausland sind Generika in der Schweiz rund doppelt so teuer und werden weniger oft eingesetzt. Ziel der aktuellen Gesetzesänderung ist es somit, den Einsatz von gleichwirksamen und kostengünstigeren Generika zu steigern. Davon verspricht sich der Bundesrat, im Hinblick auf Krankenkassenprämien sowie die Gesundheitskosten für Patient*innen eine kostensenkende Wirkung.

2. Festlegung des einheitlichen Vertriebsanteils

Bis anhin wurden die Vertriebsanteile für alle Arzneimittel der Spezialitätenliste („SL“) individuell anhand der FAPs der entsprechenden Packungen berechnet.

Die vom BAG publizierte SL enthält die von den Krankenversicherungen vergüteten Originalpräparate und günstigeren Generika mit Preisen, die von Swissmedic zugelassen sind und wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein müssen. Mit der Änderung per 1. Juli 2024 nach neuArt. 67 Abs. 4bis KVV gelten künftig einheitlich hohe Vertriebsanteile für die in der SL gelisteten Arzneimittel gleicher Wirkstoffzusammensetzungen. Die geänderten Bestimmungen finden Sie hier.

2.1 Festlegung der Vertriebsanteilsgruppen

Im Rahmen der Festlegung des Vertriebsanteils werden Arzneimittel (verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige) in spezifische Gruppen aufgeteilt. Die Einteilung ist insofern relevant, als dass der Vertriebsanteil für die jeweiligen Gruppen individuell berechnet wird. Die Gruppen setzen sich dabei aus Originalpräparaten, Referenzpräparaten, Co-Marketingarzneimitteln, parallelimportierten Arzneimitteln, Generika, Biosimilars und Präparaten mit bekanntem Wirkstoff („BWS“) zusammen. Die Einteilung erfolgt anhand der Wirkstoffzusammensetzung, Indikation, galenischen Form, Dosisstärke (resp. Wirkstoffmenge pro Einheit/Ampulle/Spritze etc.) und vergleichbaren Packungsgrössen. Hingegen ist die Darreichungsform des Arzneimittels innerhalb einer Gamme für die Einteilung nicht relevant (Sublingual Tabletten, Filmtabletten, Brausetabletten, Fertigspritzen, Fertigpens etc.). Im Zusammenhang mit den Packungen gilt, dass diese im Rahmen einer Abweichung von ±20% derselben Gruppe zugeordnet werden. Arzneimittel, die zu einem späteren Zeitpunkt, aber mit demselben Wirkstoff in die SL aufgenommen werden, sind einer bereits bestehenden Gruppe anhand der Wirkstoffgleichheit zuzuordnen.

2.2 Berechnung des einheitlichen Vertriebsanteils

Der einheitliche Vertriebsanteil innerhalb der Gruppe wird ausschliesslich anhand des Mittelwerts der FAP der zugehörenden Generika oder Biosimilars berechnet. Der daraus resultierende Vertriebsanteil gilt sodann für sämtliche der Gruppe angehörenden Originalpräparate, Referenzpräparate, Co-Marketingarzneimittel, parallelimportierte Arzneimittel, Generika, Biosimilars und Präparate mit bekanntem Wirkstoff (BWS) der entsprechenden Gruppe. Packungen, die keiner Gruppe zugeteilt werden können oder die ausschliesslich von einem Anbieter angeboten werden, sind von der Berechnung eines einheitlichen Vertriebsanteils ausgeschlossen.

2.3 Anpassung des festgelegten Vertriebsanteils

Der einheitliche Vertriebsanteil wird per 1. Juli 2024 erstmals festgelegt, danach alle drei Jahre im Rahmen der Überprüfung der Aufnahmebedingungen (neuArt. 38 Abs. 5 KLV). Damit wird der einheitliche Vertriebsanteil jährlich für ein Drittel der in der SL gelisteten Arzneimittel neu festgelegt. Der neu festgelegte Vertriebsanteil gilt sodann während der drei Jahre bis zur nächsten Überprüfung der Aufnahmebedingungen.

Ändert sich in der Zwischenzeit der Bestand der SL, indem diese durch neue Generika oder Biosimilars ergänzt wird, so gilt für neue Präparate der einheitliche Vertriebsanteil derjenigen Gruppe, die wirkstoffgleiche Generika oder Biosimilars umfasst (sofern vorhanden). Dasselbe gilt für Co-Marketingarzneimittel, parallelimportierte Arzneimittel und BWS, vorausgesetzt es bestehen wirkstoffgleiche Generika oder Biosimilars in der SL. Die neu ergänzten Generika und Biosimilars werden für die Berechnung des einheitlichen Vertriebsanteils erst im Rahmen der nächstfolgenden Anpassung berücksichtigt. Dasselbe gilt für den Fall, dass sich der FAP eines Generikums oder Biosimilars verändert, womit die veränderten FAPs erst im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung berücksichtigt werden. In diesem Falle errechnet sich der PP der betroffenen Generika oder Biosimilars aus der Summe des neuen FAP, des bestehenden einheitlichen Vertriebsanteils und der darauf anfallen MwSt.

Wird ein Generikum oder Biosimilar erstmalig in die SL aufgenommen, erfolgt die Berechnung des einheitlichen Vertriebsanteils anhand des FAP des ersten Generikums oder Biosimilars bzw. anhand des durchschnittlichen FAP der ersten Generika oder Biosimilars, sofern zur gleichen Zeit mehrere Generika oder Biosimilars der SL hinzugefügt werden.

3. Neues Berechnungsmodell für verschreibungspflichtige Arzneimittel

Im Rahmen des neuen Berechnungsmodells werden der preisbezogene Zuschlag (variabler Teil) nach neuArt. 38 Abs. 1 KLV und der packungsbezogene Zuschlag (fixer Teil) nach neuArt. 38 Abs. 2 KLV angepasst. Die geänderten Bestimmungen finden Sie hier.

Für den preisbezogenen Zuschlag (variabler Teil) galten einst drei Preisklassen, für die jeweils ein Zuschlag von 12%, 7% oder 0% definiert war. Mit der Änderung gelten neu zwei Preisklassen mit einem Zuschlag von 6% oder 0%.

Die Anzahl der Klassierungen des packungsbezogenen Zuschlags (fixer Teil) wird von sechs auf drei reduziert, womit die Anzahl der Preissprünge im Vertriebsanteil reduziert werden. Dadurch sollen Fehlanreize reduziert werden, dass aufgrund eines höheren Zuschlags teurere Arzneimittel abgegeben werden. Diese Wirkung kann jedoch nur erzielt werden, wenn die Zuschläge von Arzneimitteln des günstigen Segments erhöht werden. In diesem Sinne werden die packungsbezogenen Zuschläge in tieferen Preissegmenten erhöht. Berechnungen zufolge sollen gemäss Faktenblatt des BAG durch die Anpassungen des Berechnungsmodells rund 36% der Arzneimittel in der SL teurer und 64% davon günstiger werden.

Die Anpassungen des Berechnungsmodells sollen hier konkret anhand zweier Arzneimittel, je eines der tieferen und eines der höheren Preisklasse, exemplarisch erläutert werden. Die nachstehenden Informationen beruhen auf dem Faktenblatt des BAG.

Für das Beispiel des Avamys Nasensprays wird von einem FAP von CHF 8.59 ausgegangen (Stand 1.12.2023). Der Preiszuschlag hat sich im Vergleich zum alten Recht zwar um CHF 0.51 verringert, jedoch erhöhte sich der packungsbezogene Zuschlag von CHF 8.00 auf CHF 16.00. Mit einem Mehrwertsteuersatz von neu 2.6% (ehemals 2.5%) errechnet sich dadurch ein PP von CHF 25.75, woraus im Vergleich zu ehemals CHF 18.05 eine Preiserhöhung von CHF 7.70 resultiert.

Für das Beispiel der Imbruvica Filmtabletten 280mg 28Stk wird von einem FAP von CHF 2‘816.90 ausgegangen (Stand 1.12.2023). Der Preiszuschlag hat sich im Vergleich zum alten Recht zwar um CHF 169.01 erhöht, jedoch verringert sich der packungsbezogene Zuschlag von CHF 240.00 auf CHF 16.00. Mit dem neuen Mehrwertsteuersatz von 2.6% errechnet sich dadurch ein PP in Höhe von CHF 3‘075.95, woraus im Vergleich zu ehemals CHF 3‘133.30 eine Preisverringerung von CHF 53.35 resultiert.

Gerne unterstützen wir Sie in der rechtssicheren und effektiven Umsetzung der revidierten Verordnungen und der gesetzeskonformen Berechnung der Publikumspreise.