31. März 2025

Der Open-Source-Dschungel: Rechtliche Fragen im Rampenlicht (Teil 2)

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Teil 2 dieser Serie konzentriert sich auf Fragen, die aus der Perspektive von Softwareentwicklern zentral sind.

  • Noëlle Glaus

    Legal Associate
  • Michael Kunz

    Legal Partner
  • Philipp Stadler

    Senior Legal Associate

Teil 2: Die Entwicklerperspektive

Im zweiten Teil unserer Open-Source-Serie geht es um die Frage, ob und warum Softwareentwickler ihre Quellcodes unter einer Open-Source-Lizenz lizenzieren sollten, welche Vorteile sich daraus ergeben und was Entwickler im Zusammenhang mit Open Source beachten sollten.


  1. Welche Vorteile bietet die Lizenzierung unter einer Open-Source-Lizenz?

    Die Lizenzierung von Software unter einer Open-Source-Lizenz bietet zahlreiche Vorteile, die weit über die blosse Offenlegung des Quellcodes hinausgehen. Einer der wichtigsten Vorteile liegt in der rechtlichen Klarheit. Durch etablierte Open-Source-Lizenzen wird genau definiert, wie die Software genutzt, verändert und weitergegeben werden darf. Dadurch lassen sich Unsicherheiten vermeiden, und sowohl Entwickler als auch Unternehmen erhalten eine verlässliche Grundlage für den Einsatz und die Weiterentwicklung der Software. Da Open-Source-Lizenzen den Zugang zur Software ohne komplizierte Lizenzverhandlungen ermöglichen, können sie schneller von Unternehmen, Behörden oder Entwicklern übernommen werden.

    Ein weiterer Vorteil ist die Unterstützung durch die Community. Open-Source-Software lebt von der Zusammenarbeit: Andere Entwickler können Fehler melden, Sicherheitslücken identifizieren und aktiv zur Weiterentwicklung beitragen. Dadurch wird die Software nicht nur stabiler, sondern kann sich auch deutlich schneller verbessern. Statt sich auf ein einziges Entwicklerteam oder einen Hersteller zu verlassen, profitieren Open-Source-Projekte von der kollektiven Überprüfung durch eine breite Community.

    Neben den technischen und rechtlichen Vorteilen bietet Open Source auch wirtschaftliche Chancen. Entwickler können durch Dienstleistungen wie Support, Beratung oder massgeschneiderte Implementierungen Einnahmen erzielen. Viele erfolgreiche Unternehmen setzen auf ein Open-Core-Modell, bei dem die Basisversion einer Software kostenlos ist, während erweiterte Funktionen oder Premium-Support kostenpflichtig angeboten werden.

  2. Unter welcher Open-Source-Lizenz soll der Code lizenziert werden?

    Die «Open Source Initiative», eine 1998 gegründete Organisation zur Förderung von OSS, hat mehr als 80 Open-Source-Lizenzen anerkannt. Diese Lizenzen fallen in der Regel in eine von zwei Kategorien: Freizügige Lizenzen und Copyleft-Lizenzen:
    • Freizügige Lizenzen ermöglichen es anderen Entwicklern (Dritten), die Software nach Belieben zu verwenden, solange sie bestimmte Lizenzpflichten (z. B. die Nennung des Autors) einhalten. Dritte können somit frei entscheiden, unter welcher Lizenz sie eigene Modifikationen der Software weitergeben möchten.
    • Copyleft-Lizenzen hingegen verpflichten andere Entwickler (Dritte), bei der Weitergabe von Modifikationen der Software auch die eigene Weiterentwicklung unter der ursprünglichen Open-Source-Lizenz anzubieten (sogenannter viraler Effekt). Dies hat beispielsweise (wie unter der GPL v3) zur Folge, dass der Quellcode der eigenen Weiterentwicklung bei Weitergabe gemäss den Lizenzbestimmungen offengelegt werden muss, dass für die Nutzung keine Lizenzgebühren erhoben werden dürfen und dass dem Empfänger die Weiterverbreitung der Software nicht untersagt werden kann.
    Unter welcher Lizenz das eigene Open-Source-Projekt lizenziert werden soll, ist immer eine Frage des Einzelfalls. Entwickler sollten sich in einem ersten Schritt überlegen, ob sie damit einverstanden sind, wenn Dritte eine proprietäre Version ihrer Software erstellen und mit der Software Geld verdienen, ohne selbst einen Beitrag zu leisten. Falls ja, eignet sich eine freizügige Lizenz. Andernfalls ist eine Copyleft-Lizenz zu wählen. Wird eine Copyleft-Lizenz gewählt, ist insbesondere zu entscheiden, wie stark der virale Effekt sein soll:
    • Starke Copyleft-Lizenzen, wie die GNU General Public License (GPL), erlauben die Modifikation und Weiterverbreitung des ursprünglichen Codes, jedoch nur unter der Bedingung, dass das gesamte abgeleitete Werk ebenfalls unter derselben Lizenz veröffentlicht wird. Dies stellt sicher, dass der ursprüngliche Quellcode sowie alle Weiterentwicklungen für die Community zugänglich bleiben.
    • Bei schwächeren Copyleft-Lizenzen, wie die Mozilla Public License (MPL), beschränkt sich der virale Effekt auf die direkt modifizierten Dateien. Wird eine der ursprünglichen Dateien verändert, muss diese unter der MPL lizenziert und bei der Weitergabe veröffentlicht werden. Entwickelt ein Autor jedoch neue Dateien unabhängig vom ursprünglichen MPL-Code, können diese unter einer anderen Lizenz veröffentlicht oder sogar proprietär gehalten werden. Dieses Prinzip wird häufig als "file-based Copyleft" bezeichnet, da die Lizenzpflichten auf Datei-Ebene beschränkt bleiben.
    Weiter können Gedanken zur Kompatibilität mit anderen Softwarelizenzen sowie das Ziel der Lizenzierung (z.B. Kommerzialisierung) für die Wahl der Open-Source-Lizenz ausschlagegebend sein. Grundsätzlich ist es empfehlenswert, sich bei der Auswahl an den etablierten, weitest verbreiteten Lizenzen zu orientieren und exotische Lizenzen oder die Entwicklung eigener Lizenzen zu vermeiden. Auch ist es ratsam, einen englischen Lizenztext zu wählen, um bei einer internationalen Nutzung keine unnötigen Sprachbarrieren aufzubauen.

  3. Darf für Open Source Software Geld verlangt werden?

    Die Verwendung des Begriffs „Free Software“ im Zusammenhang mit Open-Source-Software (OSS) führt häufig zu Missverständnissen darüber, ob Entwickler von OSS für ihre Arbeit Geld verlangen dürfen. Die Free Software Foundation erklärt hierzu:

    Free software is a matter of liberty, not price. To understand the concept, you should think of free as in free speech, not as in free beer.”

    Entgegen einem weit verbreiteten Irrtum ist es keineswegs verboten, Quellcode, der unter einer gängigen Copyleft-Lizenz veröffentlicht wurde, zu kommerzialisieren. Der Urheber darf beispielsweise für Kopien des lizenzierten Codes (in Quell- oder Binärform) ein Entgelt verlangen oder Gebühren für Supportleistungen sowie für das Anbieten einer Garantie erheben. Auch wenn der Quellcode auf einem physischen Datenträger bereitgestellt wird, dürfen angemessene Kosten für dessen Erstellung und Verteilung berechnet werden.

    Ein weiteres Beispiel ist das Angebot von kostenpflichtigen Erweiterungen oder Premium-Funktionen für eine Open-Source-Software. Viele Unternehmen verwenden Open-Source-Software als Basis und bieten dann zusätzliche Funktionen, die nur gegen Bezahlung erhältlich sind, wie es zum Beispiel bei Open-Core-Modellen der Fall ist. Auch im Bereich Cloud-Services ist eine kommerzielle Nutzung möglich. Anbieter wie „Red Hat“ oder „Canonical“ bieten Open-Source-Software wie „Linux“ oder „OpenStack“ kostenlos zum Download an, verdienen aber durch die Bereitstellung von Support-Diensten, massgeschneiderten Lösungen und Cloud-Infrastrukturdiensten Geld.

    Die Lizenzierung von Software unter einer Open-Source-Lizenz bedeutet somit nicht, dass die Software umsonst oder ohne die Möglichkeit, Geld zu verdienen, angeboten werden muss. Vielmehr geht es um die Freiheit, den Code zu nutzen, zu verändern und weiterzugeben. Entwickler können somit durchaus kommerzielle Geschäftsmodelle auf Basis von Open-Source-Software aufbauen, sei es durch kostenpflichtige Zusatzfunktionen, Support oder massgeschneiderte Dienstleistungen.

  4. Kann die Open-Source Lizenzierung einer Software rückgängig gemacht werden?

    Die Lizenzierung unter einer Open-Source-Lizenz ist grundsätzlich endgültig. Software, die unter einer bestimmten Open-Source-Lizenz veröffentlicht wurde, kann uneingeschränkt weitergegeben werden, selbst wenn der ursprüngliche Lizenzgeber die OSS entfernt. Das bedeutet, dass Nutzer oder nachfolgende Entwickler, welche die Software bereits unter diesen Bedingungen erhalten haben, weiterhin an die Rechte und Pflichten dieser Open-Source-Lizenz gebunden sind. Selbst wenn der ursprüngliche Entwickler später Änderungen vornehmen möchte, sind die Nutzer oder nachfolgende Entwickler weiterhin durch die ursprünglichen Bestimmungen der Open-Source-Lizenz geschützt. Die Open-Source Lizenzierung kann folglich nicht rückgängig gemacht werden.

    Es ist jedoch möglich, neue Versionen der Software unter einer anderen Lizenz zu veröffentlichen und z.B. zu kommerzialisieren: Dies wird oft als «Forking» bezeichnet, bei dem eine neue Version des Projekts von der ursprünglichen Version abgezweigt und unter neuen Lizenzbedingungen weiterentwickelt wird. Nur die Vorgängerversionen können dann weiterhin unter der ursprünglichen Open-Source-Lizenz genutzt werden. Bei einem Update hingegen ist ein Lizenzwechsel zwingend erforderlich. Da Updates in der heutigen Zeit aufgrund der schnellen Weiterentwicklung von Software nahezu unumgänglich sind, kann ein Projekt z.B. zunächst mit einer Open-Source-Lizenz Marktanteile gewinnen und eine Community aufbauen, um dann zu einer kommerziellen Lizenz zu wechseln.

  5. Können eigene Open-Source-Lizenzen kreiert werden?

    Ja, es können neue Lizenzen geschaffen werden. Um als Open-Source-Lizenz anerkannt zu werden, müssen sie jedoch das Prüfverfahren der «Open Source Initiative» durchlaufen. Damit eine Lizenz von der «Open Source Initiative» anerkannt wird, muss sie bestimmte Anforderungen erfüllen, wie zum Beispiel die Gewährleistung der freien Weitergabe, die Bereitstellung des Quellcodes, die Möglichkeit, den Quellcode zu verändern und weiterzugeben, die Nichtdiskriminierung von Personen oder Gruppen, die Unabhängigkeit von Produkten, keine Einschränkungen für andere Software sowie die Technologieneutralität.

  6. Dürfen bestehende Open-Source-Lizenzen angepasst werden?

    Damit eine Lizenz als Open-Source-Lizenz anerkannt wird, muss sie wie oben beschrieben der Open-Source-Definition entsprechen und den Lizenzprüfungsprozess der «Open Source Initiative» durchlaufen haben. Eine anerkannte Open-Source-Lizenz darf daher nicht ohne weiteres verändert werden. Werden dennoch Änderungen an einer anerkannten Lizenz vorgenommen, so handelt es sich nicht mehr um die ursprüngliche Lizenz, sondern um eine neu geschaffene Lizenz (was an sich zulässig ist). In diesem Fall darf jedoch kein Verweis auf den ursprünglichen Lizenznamen gemacht werden.

  7. Was wird mit Dual- oder Multi-Licensing bezweckt?

    Beim Dual- oder Multi-Licensing werden Softwareprojekte unter mehreren, alternativ wählbaren Lizenzen angeboten. Damit können unterschiedliche Ziele verfolgt werden.

    Zum einen kann Dual- oder Multi-Licensing als kommerzielles Geschäftsmodell genutzt werden. Die kostenlose Version der Software wird bewusst unter einer strengen Copyleft-Lizenz mit viralem Effekt angeboten. Solange Dritte die lizenzierte Software nur intern im Unternehmen einsetzen, wird die Software in der Regel nicht weitergegeben und der virale Effekt tritt nicht ein. Geben Dritte die Software jedoch als Bestandteil ihrer Softwareprojekte an nachfolgende Entwickler weiter, werden die Lizenzpflichten ausgelöst und diese müssen ihre Softwareprojekte ebenfalls unter der Copyleft-Lizenz weitergeben. Wollen die nachfolgenden Entwickler dies vermeiden und ihre Projekte ohne die durch die Copyleft-Lizenz auferlegten Beschränkungen (beispielsweise das Verbot zur Erhebung einer Gebühr für die Nutzung der Software) anbieten, müssen sie die kostenpflichtige Variante der Software erwerben, bei der der virale Effekt nicht ausgelöst wird.

    Zum anderen reduziert Dual- oder Multi-Licensing das Risiko von Lizenzkonflikten. Durch die Möglichkeit, zwischen mehreren Lizenzmodellen zu wählen, wird es für Entwickler und Unternehmen einfacher, sicherzustellen, dass alle rechtlichen Anforderungen erfüllt sind und keine ungewollten Überschneidungen oder Einschränkungen zwischen den Lizenzen auftreten. Dies fördert eine breitere Akzeptanz der Software und erleichtert deren Integration in verschiedene Projekte und Anwendungen.

  8. Was sind Open-Source Contribution Policies?

    Die relevantesten Open-Soure Contribution Policies sind die Contribution Guidelines und die Contributor License Agreements (CLA):
    • Contribution Guidelines regeln die Organisation eines Open-Source-Projekts, indem sie die Zusammenarbeit der Entwickler in der Community sowie deren Rollen und Verantwortlichkeiten definieren. Dies ist für den Erfolg eines Projekts und die reibungslose Zusammenarbeit von grosser Bedeutung. Während bei kleineren Projekten mündliche Absprachen oder kurze, stichwortartige Regelungen ausreichen können, empfiehlt sich bei grösseren Projekten eine ausreichend dokumentierte Governance-Struktur.
    • Bei Open-Source-Projekten ist es sinnvoll, mit externen Entwicklern (sog. Contributors) Contributor License Agreements (sog. CLA) abzuschliessen. Diese regeln die Bedingungen und Rechte für die Übernahme der externen Beiträge und stellen sicher, dass das Open-Source-Projekt über die notwendigen Rechte zur Nutzung und Weitergabe der externen Beiträge verfügt. Dies ist insbesondere bei kommerziellen Projekten zu empfehlen, erfordert aber einen höheren administrativen Aufwand. Es ist jedoch zu bedenken, dass die Verwendung eines CLA auch abschreckend wirken kann, da die Entwickler schnell erkennen, dass ihre Beiträge allenfalls kommerzialisiert werden.


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