Einen Rechtsstreit vor Gericht zu führen ist anspruchsvoll. Dieser Artikel bietet eine erste (nicht abschliessende) Orientierung mit Fokus auf einen Zivilprozess bei Vermögensstreitigkeiten. Der Artikel behandelt keine Sonderfälle, weist aber auf Ausnahmen hin.
Recht haben und Recht bekommen: Grundsätze des Zivilprozesses
Der Kläger entscheidet, ob er klagen will oder nicht. Er legt mit seiner Klage das Thema des Prozesses fest; er bestimmt also, (1) was er (2) von wem (3) aus welchem Grund fordert.
Der Kläger macht seine Forderung (was) gegenüber dem Beklagten (von wem) in den Rechtsbegehren geltend und auch der Beklagte stellt seine Begehren (in der Regel lauten diese auf Abweisung der Klage). Das Gericht ist grundsätzlich an diese Rechtsbegehren gebunden (Ausnahme: wenn das Gericht gewisse Fragen von Amtes wegen zu entscheiden hat, z.B. in Kinderbelangen). Das Gericht darf dem Kläger nicht mehr zusprechen, als er in den Rechtsbegehren verlangt und nicht weniger, als der Beklagte anerkennt. Dies ist Teil der sogenannten Dispositionsmaxime.
In aller Regel trägt eine Partei die Behauptungs- und Beweislast für den massgeblichen Sachverhalt (aus welchem Grund). Im Grundsatz trägt derjenige die Behauptungs- und Beweislast, der aus einer Behauptung Rechte ableitet. Dies wird regelmässig (aber nicht immer) der Kläger sein, der eine Forderung stellt.
Die Behauptungen zum Sachverhalt müssen detailliert und umfassend dargestellt werden, d.h. sogenannt „substantiiert“ sein. Hier muss sich der Kläger vor Augen führen, dass er den Sachverhalt dem Gericht erklären muss und nicht der Gegenseite. Das bedeutet auch, dass nichts als bekannt vorausgesetzt werden darf und alles erklärt werden muss – auch Umstände, welche den Prozessparteien bestens bekannt sind. Eine gelungene Klageschrift sollte das Gericht in die Lage versetzen, das Geschehene umfassend nachvollziehen zu können, ohne zusätzliche Erklärungen einfordern zu müssen. Hierzu ist das Gericht nämlich in aller Regel nicht verpflichtet (sog. „Verhandlungsmaxime“; Ausnahme wiederum: wenn das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen abklären muss, z.B. in Kinderbelangen). Sofern die Gegenseite diese Behauptungen bestreitet, muss die beweisbelastete Partei einen rechtsgenüglichen Beweis für ihre Behauptungen erbringen.
Im Gegensatz zum Sachverhalt müssen die Parteien dem Gericht das Recht nicht erklären („iura novit curia“): Eine Rechtsschrift muss also keine Ausführungen zur Rechtslage enthalten. Dennoch hilft genaue Rechtskenntnis bei der Strukturierung und beim Aufbau einer Rechtsschrift: Nur wer das Recht kennt, kann verlässlich einschätzen, welche Elemente des Sachverhalts wirklich entscheidend sind und dem Gericht vorgetragen und auch bewiesen werden müssen. Auch können eigene rechtliche Ausführungen unter Umständen dabei helfen, das Gericht bei der rechtlichen Beurteilung in die „richtige Richtung“ zu lenken.
Diese Grundsätze erklären ein bekanntes juristisches „Bonmot“: „Recht haben heisst nicht automatisch Recht bekommen“. Sofern nämlich eine Partei es verpasst, die richtigen Begehren zu stellen oder eine rechtserhebliche Tatsache im Prozess rechtzeitig und rechtsgenügend zu behaupten, zu bestreiten oder zu beweisen, kann dies zu einem Verlust der Rechtsansprüche führen.
Unterschiedliche Verfahrensarten
Das schweizerische Zivilprozessrecht sieht verschiedene Verfahrensarten vor. Das Schlichtungsverfahren ist in der Regel zwingend und muss durchgeführt werden (es bestehen gewisse Ausnahmen, z.B. bei betreibungs- oder handelsrechtlichen Streitigkeiten bzw. bei Angelegenheiten, die im summarischen Verfahren zu behandeln sind). Das Schlichtungsverfahren findet vor einer Schlichtungsbehörde statt, welche von den Kantonen bestimmt wird. Die Schlichtungsbehörde ist kein eigentliches Gericht und hat nur eine sehr stark eingeschränkte Entscheidkompetenz. Das Ziel dieser Instanz ist die Herbeiführung einer Einigung zwischen den Parteien.
Nach Durchlaufen des Schlichtungsverfahrens erhält der Kläger die sogenannte Klagebewilligung, welche es ihm erlaubt, seine Klage (in der Regel innert drei Monaten) beim zuständigen Gericht einzureichen.
Sofern der Streitwert mehr als CHF 30'000 beträgt bzw. für den Rechtsstreit keine besondere Verfahrensart zur Anwendung kommt, wird das Verfahren nach den Bestimmungen über das ordentliche Verfahren geführt. Diese Verfahrensart stellt in formaler Hinsicht die höchsten Anforderungen. Die Klagebegründung und Klageantwort müssen hier zwingend schriftlich erfolgen. Der zweite Parteivortrag (Replik und Duplik) kann – nach Wahl des Gerichts –mündlich oder schriftlich erfolgen. Ebenfalls ist eine Hauptverhandlung inkl. Beweismittelverfahren vor Gericht vorgeschrieben. Das Gericht kann die Parteien ausserdem stets zu einer Instruktionsverhandlung laden, in der Vergleichsgespräche geführt werden.
Sind die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, wird der Prozess im vereinfachten Verfahren geführt. In so einem Fall sind die parteiseitigen Anforderungen tiefer als im ordentlichen Verfahren. Das vereinfachte Verfahren ist in erster Linie (aber nicht ausschliesslich) für Streitigkeiten vorgesehen, in denen der Streitwert CHF 30'000 nicht übersteigt. Hier ist es möglich, dass der Kläger seine Klage ohne Begründung einreicht. Es reicht in diesem Fall in einem ersten Schritt, dass der Kläger ein Rechtsbegehren stellt, die Parteien benennt, angibt, worum es ungefähr geht und die vorhandenen Beweismittel einreicht. Es gilt aber zu beachten, dass auch dies nicht von den vorgenannten Pflichten entbindet: Wird der Sachverhalt nicht schriftlich im Detail dargelegt, muss das spätestens an der Verhandlung mündlich nachgeholt werden. In einem solchen Fall kann das Verfahren sogar vollständig mündlich geführt werden. Je nach den Umständen kann das Gericht aber auch ein vereinfachtes Verfahren rein schriftlich mit zwei Schriftenwechseln durchführen. Das Gericht kann die Parteien auch im vereinfachten Verfahren zu einer Instruktionsverhandlung laden.
Das summarische Verfahren zeichnet sich durch seine Schnelligkeit und dadurch aus, dass grundsätzlich nur Urkunden als Beweismittel zulässig sind. Das Gericht kann hier auf eine Verhandlung verzichten und nur aufgrund der Akten entscheiden. Das summarische Verfahren wird in spezifischen vom Gesetz aufgeführten Fällen angewendet (z.B. gerichtliche Verbote oder vorsorgliche Massnahmen).
Sollte die Beklagtenseite die zugestellte Klage nicht innert der ihr gesetzten Frist beantworten, so kann dies – unabhängig von der Verfahrensart – gravierende Rechtsfolgen haben. In diesem Fall wird das Gericht der Klage, nach Ablauf einer Nachfrist, davon ausgehen, dass die beklagte Partei den von der klagenden Partei dargestellten Sachverhalt nicht bestreitet und damit im Wesentlichen anerkennt. Wenn die Streitsache bei dieser Ausgangslage spruchreif ist, wird das Gericht ein Urteil fällen (sog. Säumnisurteil). Andernfalls (wenn z.B. der Sachverhalt von der klagenden Partei offensichtlich noch nicht umfassend genug dargestellt worden ist oder wenn an der Richtigkeit einer behaupteten Tatsache erhebliche Zweifel bestehen) lädt das Gericht zur Hauptverhandlung vor.
Gerichtssprache und Durchführung von Verhandlungen
Das Verfahren wird auf kantonaler Ebene in der Amtssprache des jeweiligen Kantons geführt. Am 1. Januar 2025 tritt die revidierte Zivilprozessordnung in Kraft und bringt hier Erleichterungen. Englisch wird als weitere Verfahrenssprache in international geführten Handelsstreitigkeiten ermöglicht, sofern sämtliche Parteien damit einverstanden sind und die Kantone die Möglichkeit von internationalen Handelsgerichten vorsehen.
Mündliche Verhandlungen werden grundsätzlich vor Ort beim Gericht geführt. Das Gericht wird nun nach neuem Recht die Verhandlung auch mittels Videoübertragung durchführen können, sofern das Gesetz keine anderslautende Bestimmung vorsieht. Hierfür wird die Zustimmung aller am Verfahren beteiligter Personen erforderlich sein.
Kosten im Prozess
Nach geltendem Recht kann das Gericht vom Kläger einen Kostenvorschuss für die gesamten mutmasslichen Prozesskosten verlangen. In der aktuellen Praxis wird dies praktisch durchgehend von den Gerichten eingefordert, was dazu führt, dass die klagende Partei kostenmässig erheblich in die Vorleistung gehen muss. Nach der revidierten Zivilprozessordnung ab 1. Januar 2025 betragen die Vorschüsse neu grundsätzlich noch maximal die Hälfte des mutmasslichen Gesamtbetrags. Diese Entwicklung ist zu begrüssen, da sie für Betroffene die Hürden für die Rechtsdurchsetzung senkt.
Neben dem Vorschuss für die Gerichtskosten ist es unter Umständen möglich, dass die klagende Partei auch eine Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung der Gegenseite im Unterliegensfall leisten muss, bevor das Gericht die Klage behandelt. Im Verlauf des Prozesses müssen sodann teilweise Kostenvorschüsse für Beweisaufnahmen (z.B. Gutachten) geleistet werden.
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