01. Januar 2022

Emissionsabgabe und Sanierungen - Bundesgerichtsentscheid vom 29.11.2021

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Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 29. November 2021 entschieden, dass – entgegen der bisherigen Praxis der ESTV – Verluste nicht bilanziell ausgebucht werden müssen, damit Sanierungszuschüsse von der Emissionsabgabe ausgenommen sind resp. die Emissionsabgabe erlassen werden kann.

  • Rosanna J. Fravi

    Tax Advisor
  • Thomas Linder

    Tax Partner
  • Christina Stocker

    Senior Tax Advisor

Relevantes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Verlustausbuchung

Die ESTV hat das Urteil aber teilweise beim Bundesgericht angefochten. Somit besteht derzeit die Situation, dass die ESTV ihre Praxis zu Art. 12 StG anpassen musste, in Bezug auf den Ausnahmetatbestand gemäss Art. 6 Abs. 1 lit. k StG jedoch noch keine Praxisänderung erfolgte.

Hintergrund

Die Begründung und Erhöhung des Nennwerts von Beteiligungsrechten und die Zuschüsse des direkten Anteilsinhabers an die Gesellschaft unterliegen grundsätzlich der Emissionsabgabe in Höhe von 1 Prozent. Eine sanierungsbedürfte Gesellschaft ist jedoch von der Abgabe befreit, soweit die (einmalige) Sanierungsfreigrenze von CHF 10 Mio. beansprucht werden kann (Art. 6 Abs. 1 lit. k StG) oder, falls die Freigrenze bereits ausgeschöpft ist, die Voraussetzungen für den Erlass nach Art. 12 StG («offenbare Härte») erfüllt sind. 
 
Als Sanierungsmassnahme werden regelmässig Zuschüsse von Anteilsinhabern getätigt, welche für die Zwecke der Verrechnungs- und Einkommenssteuern grundsätzlich als Reserven aus Kapitaleinlagen qualifizieren und demnach später wieder steuerfrei an die Anteilsinhaber zurückgeführt werden könnten. Damit solche Zuschüsse als Reserven aus Kapitaleinlagen anerkannt werden, sind sie unter anderem in der Buchhaltung auf ein separates Konto zu verbuchen, in der Handelsbilanz gesondert auszuweisen und der Eidgenössischen Steuerverwaltung («ESTV») mit Formular 170 zu melden.
 
Gemäss der bisherigen Praxis der ESTV wurde die Ausnahme von der Emissionsabgabe im Sanierungsfall nach Art. 6 Abs. 1 lit. k StG resp. der Erlass nach Art .12 StG jeweils nur gewährt, wenn gleichzeitig die vorhandenen Verluste mit den getätigten Sanierungszuschüssen verrechnet und somit bilanziell ausgebucht wurden. Wollte die Gesellschaft von der Ausnahme resp. dem Erlass Gebrauch machen, musste sie im Gegenzug auf die Bildung von Reserven aus Kapitaleinlagen verzichten, da diese nur rechtsgültig bestehen, wenn sie in der Buchhaltung gesondert ausgewiesen sind. Diese Praxis wurde von einem Teil der Lehre schon länger als steuersystematisch falsch bemängelt.
 

Neue Rechtsprechung

Mit Urteil A-5073/2020 vom 29. November 2021 hat das Bundesverwaltungsgericht dieser langjährigen Praxis der ESTV nun endlich widersprochen. Gemäss dem Bundesverwaltungsgericht darf der Umstand, dass Kapitaleinlagereserven verrechnungssteuerfrei zurückgezahlt werden können, keinen Einfluss darauf haben, ob Art. 6 Abs. 1 Bst. k StG und Art. 12 StG zur Anwendung gelangen, weil es sich bei der Emissionsabgabe und der Verrechnungssteuer um zwei separate Steuerarten handelt. Es ergibt sich somit, dass die Verluste nicht gegen Zuschüsse ausgebucht werden müssen, damit die Beanspruchung des Freibetrags nach Art. 6 Abs. 1 Bst. k StG bzw. der Erlass der Emissionsabgabe nach Art. 12 StG zur Anwendung gelangen können. Ein gesonderter Ausweis der Zuschüsse als Kapitaleinagereserven bleibt demnach möglich.
 
Das Urteil ist in Bezug auf den Erlass der Emissionsabgabe nach Art. 12 StG rechtskräftig. Die ESTV hat jedoch im Zusammenhang mit der Beanspruchung des Freibetrags nach Art. 6 Abs. 1 lit. k StG Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben.
 

Auswirkungen in der Praxis

Die ESTV hat ihre Praxis dahingehend angepasst, dass sanierungsbedürftige Gesellschaften für die Geltendmachung des Erlasses der Emissionsabgabe nach Art. 12 StG nicht mehr zwischen dem Erlass bei der Emissionsabgabe und der Schaffung einer verrechnungssteuerfrei rückzahlbaren Kapitaleinlagereserve wählen müssen. Es wird für den Erlass also keine Verlustverrechnung mehr gefordert.
 
Will die sanierungsbedürfte Gesellschaft die Ausnahme nach Art. 6 Abs. 1 lit. k StG in Anspruch nehmen und mit dem Zuschuss gleichzeitig Reserven aus Kapitaleinlagen bilden, so wird empfohlen, dass sie die Emissionsabgabe bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Urteils des Bundesgerichts unter Vorbehalt bezahlt. So kann sie die unter Vorbehalt bezahlte Emissionsabgabe zurückfordern, sollte die ESTV vor Bundesgericht unterliegen.
 
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