Das neue FINMA-Rundschreiben „Naturbezogene Finanzrisiken“, hat zum Ziel, die Aufsichtspraxis der FINMA bezüglich des Managements von naturbezogenen Finanzrisiken durch Finanzinstitute zu definieren und zu konkretisieren. Es geht darum, die Resilienz der beaufsichtigten Institute gegenüber diesen Risiken zu stärken, die aus physikalischen Naturveränderungen wie dem Klimawandel und dem Verlust der Biodiversität resultieren.
Die Anforderungen basieren auf den Principles for the effective management and supervision of climate-related financial risks des Basel Committee on Banking Supervision1 (BCBS) sowie dem Application Paper on the Supervision of Climate-related Risks in the Insurance Sector der International Association of Insurance Supervisors (IAIS). Sie sind prinzipienbasiert, proportional und technologieneutral ausgestaltet.
Die Anforderungen zielen insbesondere nicht darauf ab, Investitions-, Kreditvergabe oder Zeichnungsentscheidungen eines Instituts zu beeinflussen bzw. in ihrer Wirkung nachhaltiger zu gestalten. Sie zielen jedoch darauf ab, dass diese Entscheidungen fundiert, unter Berücksichtigung der relevanten kurz-, mittel- und langfristigen naturbezogenen Finanzrisiken vorgenommen werden.
In Bezug auf die erfassten Risiken verfolgt die FINMA einem breiten Ansatz, welcher über den Klimawandel hinaus alle potenziell relevanten naturbezogenen Risikotreiber berücksichtigt. Denn auch weitere Naturrisiken wie bspw. der Verlust der Biodiversität bzw. die daraus resultierenden Beeinträchtigungen von Ökosystemleistungen beeinflussen die Wirtschaft und das Finanzsystem und stellen eine ernstzunehmende Quelle von Finanzrisiken dar. Zudem sind Klima- und Naturrisiken eng verbunden. Im integrierten Verständnis der FINMA sind klimabezogene Finanzrisiken als Unterkategorie von naturbezogenen Finanzrisiken zu betrachten.
Leistungen der Natur (auch „Ökosystemleistungen“ oder „Naturkapital“) werden oftmals als gegeben betrachtet und sind in aktuellen Modellen kaum mitberücksichtigt bzw. eingepreist. Insbesondere die Überschreitung von Kipppunkten und die Unersetzbarkeit vieler Ökosystemleistungen werden in traditionellen Risikomanagementansätzen nicht abgedeckt. Ein effektiver Umgang mit den Risiken erfordert nichtlineares Denken und, insbesondere auch aufgrund der mittel- bis langfristigen Transition, vorausschauende Analyseansätze mit längerem Horizont.
Besonders wichtig sind in Hinblick auf die Wirkung der Naturrisiken auf die Finanzinstitute die entstehenden Rechts- und Reputationsrisiken. Diese können sowohl aus physischen wie auch aus Transitionsrisiken entstehen und sind oft eine Kombination daraus. Aufgrund der besonderen Bedeutung von Rechtsrisiken werden diese oft auch als separate Kategorie nebst physischen und Transitionsrisiken geführt. Die Risiken können insbesondere aus Klagen (bspw. von NGOs, Klimaaktivisten) gegen Gegenparteien von Finanzinstituten entstehen, wobei zu erwarten ist, dass die aktuell stark auf Klimaaspekte fokussierten Klagen sich zunehmend auch breiteren Naturaspekten widmen und auch gegen Finanzinstitute direkt geführt werden. Weiter ergeben sich aufgrund der zunehmenden Regulierung (bspw. bezüglich Sorgfaltspflichten in Lieferketten) ebenfalls steigende Rechtsrisiken, und mit zunehmender Transparenz auch zunehmende Reputationsrisiken. Letztere gehen einerseits mit Rechtsrisiken einher (bspw. aufgrund eines medienwirksamen Rechtsfalls), können aber auch unabhängig entstehen (bspw. wenn ein Unternehmen oder ein Finanzinstitut durch Verbindung mit naturschädigendem Verhalten in Verruf gerät). Insbesondere führt auch die Thematik des Greenwashings zu Rechts- und Reputationsrisiken.
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Der Grundsatz der Wesentlichkeit gilt auch für naturbezogene Finanzrisiken. Die Beurteilung der Wesentlichkeit dieser Risiken ist spezifisch für jedes Institut. Wie bei allen Risiken definieren die Institute das Vorgehen und die Kriterien zur Bestimmung von wesentlichen naturbezogene Finanzrisiken selbst. Im Bereich der Naturrisiken ist die Identifikation der wesentlichen Risiken für das Institut aufgrund der Komplexität und Neuheit der Thematik eine grosse Herausforderung. Es existieren noch keine breit etablierten Vorgehensweisen. Internationale Berichterstattungsstandards (bspw. ISSB, ESRS) und Rahmenwerke (bspw. TNFD) geben zusammen mit Praxiserfahrungen etablierte Ansätze für das Vorgehen, die sich allerdings wie die Thematik insgesamt weiterentwickeln werden. Entsprechend wird auch erwartet, dass sich das Vorgehen der Institute an relevante Umfeldentwicklungen anpasst.
Der angemessene Umgang mit dieser Komplexität erfordert die Eruierung von schwerwiegenden Zukunftsszenarien sowie die Durchführung von Szenarioanalysen.
Die Szenarioanalyse ist ein Instrument, um zu verstehen und zu untersuchen, wie sich die Zukunft unter ungewissen Bedingungen entwickeln könnte. Es geht darum, schwerwiegende Szenarien zu konstruieren und zu analysieren, wie belastbar das aktuelle Geschäftsmodell und die Strategie eines Unternehmens wären, wenn es sich in diesen Szenarien befände.
Die Risikosituation der Versicherungsunternehmen unterscheidet sich wesentlich von derjenigen der Banken, da Schaden- und Rückversicherungsunternehmen neben Transitionsrisiken vor allem physische Risiken auf der Liability-Seite haben. Diese werden in exponierten Bereichen bereits von den betroffenen Versicherungsunternehmen identifiziert, gemessen und bewirtschaftet sowie von der FINMA beaufsichtigt.
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Eine Konkretisierung mittels Rundschreiben erlaubt allerdingts auch diesbezüglich eine effektivere, und für die Beaufsichtigten effizientere, Aufsicht.
Insbesondere gelten folgende Anforderungen für Versicherungen:
Das Inkrafttreten des Rundschreibens ist auf den 1. Januar 2025 geplant.
Institute der Kategorien 1 und 2 haben bereits ab Inkrafttreten des Rundschreibens die Anforderungen zur Risikoidentifikation, Wesentlichkeitsbeurteilung und Szenarioanalysen sowie zur Abstimmung ihrer Geschäftsstrategie mit ihren Commitments zu erfüllen.
Diese Anforderungen sollten von den betroffenen Instituten bereits aufgrund anderer regulatorischer Anforderungen (FINMA-RS 16/1 und 16/2) sowie internationalen Treibern (bspw. Berichterstattung nach TCFD) erfüllt sein und benötigen daher keine weitere Übergangsfrist.
Für die Erfüllung aller anderen Anforderungen ist für die Institute der Kategorie 1 und 2 ein Jahr Übergangsfrist ab Inkrafttreten des Rundschreibens vorgesehen.
Im Sinne einer proportionalen Ausgestaltung der Anforderungen des Rundschreibens, gelten für die Institute der Kategorien 3 und 5 zum Teil längere Übergangsfristen für die Umsetzung der Anforderungen.
Die Institute des Kleinbankenregimes und Kleinversichererregimes, die Wertpapierhäuser und Asset Manager sind gemäss FINMA insgesamt geringeren Risiken ausgesetzt und daher aus Gründen der Proportionalität ausgenommen. Jedoch können naturbezogene Finanzrisiken auch bei diesen Instituten Auswirkungen haben. Deshalb empfiehlt die FINMA diesen Instituten, sich am Rundschreiben zu orientieren.
Gerne stehen wir Ihnen für eine Besprechung zur Verfügung.