Die ESG-Regulierung verdichtet sich zunehmend, stark getrieben durch den EU Green Deal. Im Fokus steht die „Green Trade“-Regulatorik, insbesondere Sorgfaltspflichten in Lieferketten. Gesetze wie das deutsche LkSG, die EU CSDDD und die EUDR haben erhebliche Auswirkungen auf den internationalen Handel und betreffen auch viele Schweizer Unternehmen.
Die regulatorische Landschaft im Bereich ESG verdichtet sich immer weiter. Stark katalysiert durch den EU Green Deal, aber auch darüber hinaus, gibt es mehr und mehr neue Rechtsvorschriften, die Umwelt-, Sozial oder Governance-Standards für Unternehmen definieren. Ein zentrales Thema in diesem Kontext, das in den letzten Jahren viel Beachtung gefunden hat, ist die Regulierung von Sorgfaltspflichten in globalen Lieferketten - von uns bei GvW bezeichnet als „Green Trade“ Regulatorik. Nationale wie europäische Gesetzgebung in diesem Bereich hat einen großen Einfluss auf den internationalen Handel, und betrifft somit auch viele Schweizer Unternehmen.
Drei zentrale Rechtsakte zu Sorgfaltspflichten in der Lieferkette, die im Folgenden jeweils mit ihren Implikationen für Schweizer Unternehmen vorgestellt werden, sind das deutsche Lieferkettenkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), die Europäische Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) und die Europäische Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EU Deforestation Regulation, EUDR).
LkSG und CSDDD könnte man jeweils als eine Art „allgemeines“ Lieferketten-Due-Diligence-Gesetz bezeichnen. Sie beide nehmen durch Verweise auf völkerrechtliche Verträge Bezug auf Schutzgüter zu Menschenrechten, Antidiskriminierung, Sozialstandards und Umwelt. Weiterhin enthalten sie weitgehend parallele Sorgfaltspflichten: Auf struktureller Ebene müssen Unternehmen ein Risikomanagement implementieren, interne Zuständigkeiten festlegen (etwa eine Menschenrechtsbeauftragte benennen), ein Beschwerdeverfahren ins Leben rufen und eine Grundsatzerklärung zur Menschenrechtsstrategie verabschieden. In operativer Hinsicht müssen regelmäßige Risikoanalysen durchgeführt sowie Präventiv- und ggf. Abhilfemaßnahmen ergriffen werden. Alle Aktivitäten müssen dokumentiert werden und einmal im Jahr müssen die Unternehmen einen Bericht veröffentlichen. Bei Interesse lesen Sie hier weiter zu den Unterschieden zwischen den beiden Rechtsakten.
Das LkSG findet in Deutschland seit dem 1. Januar 2023 Anwendung auf Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden im Inland, seit dem 1. Januar 2024 auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden im Inland. Die CSDDD wurde im Juli 2024 verabschiedet und muss innerhalb von zwei Jahren von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Ihr Anwendungsbeginn ist gestaffelt geregelt und startet im Juli 2027 für EU-Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 1,5 Milliarden Euro und mehr als 5.000 Mitarbeitenden, im Juli 2028 für Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 900 Millionen Euro und mehr als 3.000 Mitarbeitenden, und im Juli 2029 für Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 450 Millionen Euro und mehr als 1.000 Mitarbeitenden. Das LkSG ist aktuell Gegenstand hitziger politischer Debatten in Deutschland. Es besteht die Möglichkeit, dass das Gesetz in nächster Zeit aufgehoben wird. An der deutschen Umsetzungspflicht bzgl. der CSDDD ändert dies jedoch nichts.
Schweizer Unternehmen können sowohl von LkSG als auch von der CSDDD jeweils direkt oder indirekt betroffen sein.
Direkt betroffen vom LkSG sind alle Schweizer Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. Das sind zum einen Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland, was auf die deutschen Tochterunternehmen von Schweizer Mutterkonzernen zutrifft. Auf die Rechtsform dieser Unternehmen kommt es nach dem LkSG nicht an. Hat das deutsche Tochterunternehmen über 1.000 Mitarbeitende, muss es für sich – nicht für den Schweizer Mutterkonzern – und den eigenen Geschäftsbereich die Pflichten nach dem LkSG erfüllen. Besondere Fragen stellen sich hier im Kontext von verbundenen Unternehmen. Hat eine Schweizer Gesellschaft mehrere deutsche Töchter, so stellt sich die Frage nach einer ggf. notwendigen Zusammenrechnung aller Mitarbeitenden. Eine solche ist in der Regel jedoch nur „von unten nach oben“ geboten, also von inländischen Untergesellschaften zu ihrer inländischen Muttergesellschaft.
Zum anderen fallen auch ausländische Unternehmen in den Anwendungsbereich des LkSG, die eine oder mehrere Zweigniederlassungen in Deutschland betreiben. In diesem Fall ist es so, dass alle Mitarbeitenden der Zweigniederlassungen addiert werden. Wird die Schwelle von 1.000 Mitarbeitenden erreicht, greift die LkSG-Pflicht. Eine wichtige Besonderheit ist hier, dass die Pflicht ausnahmsweise direkt das ausländische Unternehmen trifft. Da Zweigniederlassungen keine eigene Rechtspersönlichkeit haben, gäbe es ansonsten keinen tauglichen Adressaten der Rechtspflicht. In diesem Fall muss also die Schweizer Muttergesellschaft selbst alle Sorgfaltspflichten nach dem LkSG erfüllen. Dies beinhaltet auch die jährliche Berichtspflicht.
Indirekt betroffen sind Schweizer Unternehmen als unmittelbare oder mittelbare Zulieferer von LkSG-pflichtigen deutschen Unternehmen. Als unmittelbarer Zulieferer werden sie in die Risikoanalyse des verpflichteten Unternehmens miteinbezogen, was praktisch v.a. dazu führt, dass das Schweizer Unternehmen Informationen über seine Lieferketten übermitteln muss. Weiterhin müssen LkSG-pflichtige Unternehmen Präventivmaßnahmen ggü. ihren unmittelbaren Zulieferern „verankern“. Dies meint insb. die Einholung vertraglicher Zusicherungen über die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in der Lieferkette. Im Falle eines Falles können Schweizer Zuliefer-Unternehmen auch von Abhilfemaßnahmen betroffen sein, welche im schlimmsten Fall (bei besonders schweren und wiederholten Verstößen) die Beendigung des Geschäftsverhältnisses bedeuten würden.
Die CSDDD gilt für Drittstaatsunternehmen genau wie für EU-Unternehmen, ebenfalls mit einem gestaffelten Anwendungsstart. Unterschied ist nur, dass es alleine auf den Umsatz innerhalb der EU ankommt und nicht, wie bei EU-Unternehmen, auf den weltweiten Umsatz. Weiterhin ist die Anzahl der Mitarbeitenden bei Drittstaatsunternehmen nicht relevant. Erzielt ein Schweizer Unternehmen in der EU also einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro, fällt es ab Juli 2027 unter die CSDDD, mit 900 Millionen Euro ab Juli 2028, mit 450 Millionen Euro ab Juli 2029. In diesem Fall muss das Schweizer Unternehmen einen Bevollmächtigten in der EU benennen, der für die Zusammenarbeit mit den Behörden zuständig ist. Gleichsam werden Schweizer Unternehmen auch von der CSDDD indirekt betroffen sein und sich vertraglichen Zusicherungsforderungen ihrer Geschäftspartner ausgesetzt sehen. Es dürfte sich folglich lohnen, schon jetzt in die eigene Lieferketten-Transparenz und in die Einhaltung von Sorgfaltspflichten-Standards zu investieren.
Ein weiteres Novum im europäischen Lieferkettenrecht ist die EUDR. Die Verordnung hat einen produktbezogenen Anwendungsbereich, der sich auf die in ihrem Anhang I näher bezeichneten Erzeugnisse aus den Rohstoffen Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Soja und Holz bezieht. Marktteilnehmer und Händler dürfen diese Erzeugnisse nur noch dann auf dem EU-Markt in Verkehr bringen, auf dem Markt bereitstellen oder aus ihm ausführen, wenn sie (i) nachweislich entwaldungsfrei sind, (ii) die relevanten gesetzlichen Bestimmungen des Ursprungslandes einhalten und (iii) für sie eine Sorgfaltserklärung vorliegt. Zentrale Pflicht für Unternehmen ist folglich die Erstellung ebendieser Sorgfaltserklärung, die zur Nachvollziehbarkeit der Entwaldungsfreiheit u.a. die Geolokalisierungsdaten jedes einzelnen Erzeuger-Grundstückes enthalten muss. Ursprünglich sollte die EUDR ab dem 30. Dezember 2024 Anwendung finden, für kleine und Kleinstunternehmen ab dem 30. Juni 2025. Nach einigem Hin und Her haben die EU-Institutionen sich nun in letzter Minute auf eine Verschiebung um ein Jahr geeinigt.
Die EUDR ist unmittelbar relevant für alle Schweizer Unternehmen, die relevante Erzeugnisse in die EU exportieren. Laut dem Schweizer Bundesrat wären im Jahr 2022 Exporte im Wert von 4 Milliarden Franken betroffen gewesen. Mit dem Export in die EU wird das Schweizer Unternehmen zum Marktteilnehmer im Sinn der Verordnung, weil sie das Erzeugnis in der EU in Verkehr bringen. Sobald die EUDR Anwendung findet, müssen betroffene Schweizer Unternehmen noch vor Abgabe der Zollanmeldung die Sorgfaltspflichten nach der EUDR erfüllt haben und eine Sorgfaltserklärung abgegeben haben. Die Sorgfaltserklärung ist jeweils hochzuladen im zentralen EUDR Information System, das seit Dezember 2024 vollständig funktionsfähig sein soll. Die Kommission bietet Online Trainings zur Nutzung an. Um eine Sorgfaltserklärung im EUDR Information System hochladen zu können, brauchen alle Unternehmen eine EORI-Nummer (Economic Operators Registration and Identification). Die Registrierung sollten – sofern nicht bereits geschehen – betroffene Schweizer Unternehmen so bald wie möglich angehen, um zu verhindern, dass eine Rechtskonformität und damit die Geschäftstätigkeit an technischen Hürden scheitert.
Die indirekte Betroffenheit nach der EUDR ergibt sich insbesondere daraus, dass Schweizer Unternehmen, wenn sie EUDR-pflichtige EU-Unternehmen beliefern, diesen die von der EUDR geforderten Informationen zur Verfügung stellen werden müssen, damit die EU-Unternehmen ihre Sorgfaltspflicht erfüllen können. Auch hier werden Unternehmen mit vertraglichen Zusicherungen arbeiten. Abzuwarten bleibt, welche rechtlichen Konsequenzen die Unternehmen in ihren Lieferverträgen an eine Nichteinhaltung knüpfen werden. Zu denken wäre hier beispielhaft an Vertragsstrafen, Schadensersatzansprüche oder sogar außerordentliche Kündigungsrechte.
Im Ergebnis lohnt es sich für Schweizer Unternehmen, frühzeitig die eigene Betroffenheit zu prüfen und entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen zu ergreifen. Die hier angesprochenen Rechtsakte sind dabei nicht die einzigen, die es zu beachten gilt. Weitere Gesetzgebung im Bereich der Lieferkettensorgfaltspflichten findet sich etwa in der EU-Zwangsarbeits-Verordnung, in der EU-Konfliktmineralien-Verordnung oder in der EU-Batterie-Verordnung.