21. März 2025

Handelsgericht Zürich: Haftungsrisiken bei der Verletzung von Zusicherungen und Gewährleistungen in einem Investment Agreement

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Das Handelsgericht Zürich entschied in seinem Urteil vom 21. August 2024 über die Haftungsfolgen für falsch abgegebene Zusicherungen und Gewährleistungen in einem Investment Agreement – mit wichtigen Folgen für Investoren und Start-ups.

  • Luca Schärer

    Junior Legal Associate
  • Christoph Zellweger

    Senior Legal Associate

1. Einleitung

Das Handelsgericht Zürich befasste sich in seinem Urteil vom 21. August 2024 mit der Frage, welche rechtlichen Konsequenzen die Verletzung von Zusicherungen und Gewährleistungen in einem Investment Agreement nach sich zieht.

2. Sachverhalt

Eine in Jersey ansässige Investmentgesellschaft («Klägerin») beteiligte sich im Jahr 2022 im Rahmen einer Finanzierungsrunde an einer schweizerischen Aktiengesellschaft aus der Lebensmittelbranche («Beklagte»). Anfang November 2022 unterzeichneten die Parteien ein Investment Agreement, das der Klägerin im Zuge einer Kapitalerhöhung das Zeichnungsrecht für 26'411 Vorzugsaktien der Beklagten zusicherte. Im Gegenzug verpflichtete sie sich, den Nennwert von CHF 26'411.- sowie eine Einlage in die freien Reserven der Beklagten in Höhe von EUR 14'973'282.22 zu leisten.

Nach Abschluss der Kapitalerhöhung stellte die Klägerin jedoch fest, dass sie in mehreren wesentlichen Punkten getäuscht wurde. Insbesondere waren:

  • die Geschäftsberichte für 2020 und 2021 gefälscht und nicht, wie behauptet, von einer Prüfungsgesellschaft abgenommen;
  • die Umsatz- und Gewinnzahlen für 2022 frei erfunden; und
  • gegen die Beklagte Steuerbetreibungen und Vollstreckungsverfahren hängig, obwohl steuerliche Compliance zugesichert wurde.

Am 29. September 2023 focht die Klägerin das Investment Agreement wegen arglistiger Täuschung im Sinne von Art. 28 OR an und verlangte gestützt auf das Bereicherungsrecht (Art. 62 ff. OR) die Rückerstattung der investierten Summe oberhalb des eingezahlten Nennwerts. Eventualiter forderte sie einen Bar-Schadenersatz wegen Verletzung der vertraglichen Zusicherungen und Gewährleistungen.

Das Handelsgericht Zürich gab der Klage teilweise statt und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von insgesamt EUR 14'973'282.22 sowie CHF 281'219.25 (vorprozessuale Anwaltskosten). Zudem wurde die Beklagte zur Zahlung der Parteientschädigung (CHF 129'150.-) und der Gerichtsgebühren (CHF 107'600.-) verpflichtet.

3. Erwägungen des Handelsgerichts Zürich

3.1 Keine Rückabwicklung des Investment Agreements aufgrund von Willensmängeln (E. 3.2)

Das Handelsgericht Zürich stellte unter Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung fest, dass nach Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister der Zeichner der neu ausgegebenen Aktien sich nicht mehr auf einen Willensmangel berufen könne, da mit der Zeichnung der Aktien, sich der Zeichner bedingungslos zur Leistung des entsprechenden Ausgabebetrags verpflichtet habe.

Die Klägerin habe somit auch keinen Anspruch auf Rückerstattung des über den Nennwert geleisteten Betrages und wies das klägerische Hauptbegehren ab.

3.2 Kompensatorische Kapitalerhöhungen nicht durchsetzbar (E. 3.3.3)

Es blieb unbestritten, dass die von der Klägerin vorgebrachten Zusicherungen und Gewährleistungen verletzt wurden. Die Klägerin machte daher eine Verletzung von Art. 97 OR geltend und beantragte eine Bar-Schadenersatzzahlung. Als Rechtsfolge sah das Investment Agreement jedoch vor, dass bei einer Zusicherungsverletzung ausschliesslich Schadenersatz in Form einer kompensatorischen Kapitalerhöhung geschuldet sei.

Das Handelsgericht Zürich kam zum Schluss, dass es sich bei dieser Vereinbarung um eine Haftungsbeschränkung handle, da die Klägerin im Vergleich zu den gesetzlichen Haftungsfolgen, schlechter gestellt sei. Es erwog, dass bei Investitionen in ein Start-up die kompensatorische Kapitalerhöhung in Bezug auf die Werthaltigkeit nicht mit der Kompensation durch eine Geldsumme gleichgesetzt werden könne. Im Sinne von Art. 100 Abs. 2 OR sind Haftungsbeschränkungen bei rechtswidriger Absicht oder grober Fahrlässigkeit nichtig. Somit sei aufgrund der absichtlichen Täuschung der Beklagten die vorliegend verabredete kompensatorische Kapitalerhöhung ungültig.

3.3 Bar-Schadenersatzansprüche aus Verletzung von Zusicherungen und Gewährleistungen bleiben im begrenzten Rahmen bestehen (E. 3.3.1)

Das Handelsgericht Zürich führte dem folgend aus, dass die Leistung einer Bar-Schadenersatzzahlung für Verletzungen von Zusicherungen und Gewährleistungen im Sinne von Art. 97 OR im vorliegenden Fall beantragt werden könne. Diese werde allerdings zwingend durch das Verbot der Einlagerückgewähr nach Art. 680 Abs. 2 OR begrenzt. Schadenersatzzahlungen dürfen somit nicht ins Nennkapital oder die geschützten Reserven der Beklagten eingreifen.

3.4 Ersatz des negativen Vertragsinteresses nach Art. 97 OR (E. 3.3.4.1)

Obwohl im Grundsatz bei der Verletzung von Art. 97 OR das positive Vertragsinteresse zu ersetzen ist, d.h. die geschädigte Partei von der schädigenden Partei so zu stellen ist, wie wenn der Vertrag richtig erfüllt worden wäre, kam das Handelsgericht Zürich zum Schluss, dass bei richtiger Aufklärung und Offenlegung der relevanten Fakten, die Klägerin nie in die Beklagte investiert hätte. In diesem Sinne würde sich auch der Ersatz des negativen Vertragsinteresses rechtfertigen, womit die Klägerin so zu stellen sei, wie wenn sie das Investment Agreement nicht abgeschlossen hätte.

Da die Beklagte vorliegend unbestrittenermassen über genügend freies Kapital verfügte, sei die von der Klägerin beantragte Bar-Schadenersatzzahlung im beantragten Umfang somit geschuldet, womit die Klägerin in ihrem Eventualbegehren obsiegte.

4. Take-aways für die Praxis

4.1 Für Investoren:

  • Die Anfechtung des Investment Agreements und deren Rückabwicklung aus Willensmängeln ist ausgeschlossen, sobald der Investor die Aktien gezeichnet hat und die Kapitalerhöhung im Handelsregister eingetragen ist.
  • Die Höhe des durchsetzbaren Schadenersatzanspruchs ist durch die frei verfügbaren Reserven der Gesellschaft stark begrenzt.
  • Eine gründliche Due Diligence ist daher von grosser Bedeutung.

4.2 Für Start-ups /Gründer:

  • Selbst wenn eine kompensatorische Kapitalerhöhung als Rechtsfolge einer Zusicherungsverletzung vereinbart wurde, kann diese bei grober Fahrlässigkeit oder rechtswidriger Absicht ungültig sein.
  • Zusicherungen und Gewährleistungen müssen daher der Realität entsprechen und präzise formuliert werden, da ungenaue oder irreführende Angaben unter Umständen trotz vertraglich vereinbarter kompensatorischer Kapitalerhöhung erhebliche Schadenersatzforderungen nach sich ziehen können.

Das gesamte Urteil finden Sie hier.

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