In der Schweiz gilt der Grundsatz der Kündigungsfreiheit. Dennoch können Kündigungen von Arbeitsverhältnissen missbräuchlich sein und zu Entschädigungsforderungen führen.
In der Schweiz gilt bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen grundsätzlich das Prinzip der Kündigungsfreiheit. Das bedeutet, dass die Vertragsparteien (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen oder gesetzlichen Frist auflösen können, ohne dass es einen besonderen Grund dafür braucht. Diese Situation unterscheidet sich wesentlich von anderen europäischen Ländern wie z.B. Deutschland oder Frankreich.
Fälle missbräuchlicher Kündigungen
Trotz der Kündigungsfreiheit kann in der Schweiz eine Kündigung missbräuchlich sein. Das Gesetz enthält in Art. 336 OR einen Katalog von Fällen, in denen Kündigungen missbräuchlich sind. Grundsätzlich kann sowohl eine Kündigung des Arbeitgebers als auch eine solche des Arbeitnehmers missbräuchlich sein. In der Praxis berufen sich jedoch mehrheitlich Arbeitnehmer darauf, dass Ihnen missbräuchlich gekündigt wurde. Aus diesem Grund beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen auf Kündigungen, die der Arbeitgeber ausgesprochen hat.
Besonders häufig wird der Missbrauchstatbestand der sog. «Rachekündigung» angerufen. Eine Rachekündigung liegt vor, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt wird, weil eine Partei nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend macht. Die Gerichtsentscheide zu den Rachekündigungen sind zahlreich. Als missbräuchlich beurteilt wurde z.B. als einem Arbeitnehmer gekündigt wurde, der vom Arbeitgeber die Rückerstattung von unzulässigen Lohnabzügen forderte. Ebenfalls missbräuchlich war die Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer, der sich weigerte, sein vertragliches Arbeitspensum (vorübergehend) zu erhöhen.
Im Katalog der Missbrauchstatbestände ist auch die sog. «Vereitelungskündigung» aufgeführt. Mit einer Vereitelungskündigung will der Arbeitgeber verhindern, dass für den Arbeitnehmer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis entstehen. So wurde z.B. eine Kündigung als missbräuchlich beurteilt, die kurz vor demjenigen Zeitpunkt ausgesprochen wurde, in welchem der Arbeitnehmer ein Dienstaltersgeschenk oder eine Gratifikation erhalten hätte. Die Kündigung ist jedoch nur dann missbräuchlich, wenn sie ausschliesslich zur Vereitelung eines Anspruchs erfolgt.
Die Aufzählung der Missbrauchstatbestände im Gesetz ist nicht abschliessend. Eine Kündigung kann insbesondere aufgrund der sehr weitreichenden Rechtsprechung des Bundesgerichts auch aus einem anderen als den im Katalog aufgeführten Gründen missbräuchlich sein. Z.B. sind bei der Kündigung von älteren Arbeitnehmern, die bereits sehr lange im Betrieb gearbeitet haben, besondere Voraussetzungen zu erfüllen, andernfalls die Kündigung missbräuchlich ist (sog. «Alterskündigungen»).
Auch bei einer Kündigung bei Konflikten am Arbeitsplatz ist Vorsicht geboten (sog. «Konfliktkündigungen»). Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verlangt von ihm, dass er zumutbare Massnahmen zur Entschärfung des Konflikts trifft, bevor eine Kündigung ausgesprochen wird. Dazu gehören bspw. Gespräche mit dem Mitarbeiter, Teamsitzungen, Beizug eines Coaches.
Schliesslich kann auch eine sog. «Änderungskündigung» missbräuchlich sein, wenn für den Arbeitnehmer unbillige Verschlechterungen herbeigeführt werden sollen, die weder aus betrieblichen noch marktbedingten Gründen notwendig sind oder wenn die Verschlechterung durchgesetzt werden soll, ohne dass die geltende Kündigungsfrist eingehalten wird.
Selbst wenn die Kündigung missbräuchlich war, ist sie rechtswirksam. D.h. das Arbeitsverhältnis ist nach Ablauf der Kündigungsfrist beendet (eine Ausnahme sieht das Gleichstellungsgesetz (GlG) vor). Der Arbeitnehmer hat jedoch Anspruch auf eine Entschädigungszahlung. Diese beträgt maximal sechs Monatslöhne, wobei die genaue Höhe der Entschädigung im Ermessen des Gerichts liegt. Es hat für die Festlegung die Umstände des konkreten Falls zu berücksichtigen. In der Praxis sind hohe Entschädigungen (d.h. fünf oder sechs Monatslöhne) eher selten.
Will ein Arbeitnehmer wegen Missbräuchlichkeit eine Entschädigung vom Arbeitgeber verlangen, muss er zwei Fristen beachten:
1. Einsprachefrist: Spätestens bis zum Ende der Kündigungsfrist muss der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber schriftlich Einsprache gegen die Kündigung erheben. Die Einsprache muss spätestens am letzten Tag der Kündigungsfrist beim Arbeitgeber eingehen.
2. Klagefrist: Danach muss der Arbeitnehmer innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Klage einleiten. Dabei genügt die Einleitung des Schlichtungsverfahrens vor dem Friedensrichter. Bei der Klagefrist genügt zwar der Poststempel.
Wird eine dieser beiden Fristen nicht eingehalten, ist der Anspruch auf Entschädigung verwirkt, d.h. er kann nicht mehr geltend gemacht werden.