Wichtigste Aspekte der Schweizer Mehrwertsteuer im Zusammenhang mit dem Kauf und Verkauf von (Native) Tokens.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat am 17. Juni 2019 ihre Praxisanpassungen für die Mehrwertsteuer bezüglich Leistungen im Zusammenhang mit Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologie veröffentlicht. Sie unterscheidet dabei zwischen den folgenden drei Haupttypen von Token:
In diesem Zusammenhang ist ein separater, aber sehr relevanter Aspekt zu berücksichtigen: Die Schweizer Finanzmarktaufsicht FINMA verwendet zwar die gleichen Begriffe für die regulatorische Token-Qualifikation (d.h. Zahlungs-, Nutzungs- und Anlagetoken), aber die jeweiligen Definitionen sind unterschiedlich. Dies führt in der Praxis zu viel Verwirrung. So ist es nicht möglich, sich für Mehrwertsteuerzwecke einfach auf die FINMA-Klassifizierung zu verlassen. Es muss eine separate Analyse durchgeführt werden.
Unserer Meinung nach sind die in der Praxis der ESTV diskutierten Kategorien jedoch sehr eng definiert, lassen einige technische Funktionalitäten dezentraler Ökosysteme außer Acht und weisen grosse Lücken auf. Vollständig dezentralisierte Native Tokens oder Tokens mit Gutschein-, Eigenkapital-, Fremdkapital- oder Fondseigenschaften fehlen. Es besteht daher noch eine gewisse Unsicherheit, wie die ESTV einen Token im Einzelfall qualifizieren könnte.
Auf der Grundlage der obigen Ausführungen stuft die ESTV den Handel mit Token wie folgt ein:
Da viele Token einen Native Token eines Ökosystems, eines Protokolls oder einer Anwendung darstellen (z. B. Layer-1-Protokoll-Token wie ETH, XTZ oder ADA) und daher als faktische Registrierungs-, Kommunikations- und Abrechnungseinheit im dezentralen Netzwerk fungieren, einschliesslich Gas und (potenziell) Staking, entsprechen sie oft nicht den oben genannten Definitionen der ESTV.
Native Token werden aus Sicht der FINMA meist als Nutzungstoken qualifiziert. Daher kann eine Klassifizierung als steuerpflichtiger Nutzungstoken für Mehrwertsteuerzwecke nicht ausgeschlossen werden. Wie oben erwähnt, sind die Definitionen für regulatorische und mehrwertsteuerliche Zwecke jedoch nicht identisch, weshalb die jeweiligen Qualifikationen möglicherweise nicht übereinstimmen. Folglich müssen Token, die aus Sicht der FINMA als Nutzungstoken gelten, zusätzlich nach den folgenden Mehrwertsteuerkategorien qualifiziert werden: (1) steuerpflichtige Dienstleistung oder (2) gar keine Leistung.
Nur wenn mit dem Token eine konkrete oder zumindest klar bestimmbare künftige Leistung verbunden ist (z.B. Vorauszahlung für eine genau definierte Leistung), gilt er als steuerpflichtiger Nutzungstoken im Sinne der Mehrwertsteuer. In diesem Fall unterliegen Token-Verkäufe an in der Schweiz ansässige Gegenparteien (d.h. Kunden und Broker) der Schweizer Mehrwertsteuer von derzeit 7,7%. Darüber hinaus hat auch die Käuferseite potenzielle Mehrwertsteuerrisiken (d.h. steuerpflichtige Leistung oder Bezugsteuer).
Nicht definierte Nutzungsmöglichkeiten werden für Mehrwertsteuerzwecke dagegen wie nicht steuerbare Wertgutscheine behandelt. Ihr Verkauf wird als blosser Austausch von Bargeld betrachtet und ist mangels einer entgeltlichen Leistung ein für die Mehrwertsteuer irrelevanter Umsatz (d.h. keine Schweizer Mehrwertsteuer).
Daraus folgt, dass Native Token ohne spezifische oder zumindest bestimmbare zukünftige Dienstleistung ähnlich wie (undefinierte) Wertgutscheine behandelt werden und der gleichen Logik wie Zahlungsmittel folgen, was zu einer irrelevanten Transaktion für Mehrwertsteuerzwecke führt. Hingegen ist die Schweizer Mehrwertsteuer auf Verkäufen an in der Schweiz ansässige Gegenparteien abzurechnen, wenn der Token mit einer spezifischen oder bestimmbaren Dienstleistung verbunden ist.
Vor diesem Hintergrund empfehlen wir, sorgfältig zu prüfen, welcher Kategorie die gehandelten Token zugeordnet werden können und die entsprechenden mehrwertsteuerlichen Implikationen zu berücksichtigen. Dabei ist die FINMA-Klassifizierung nicht direkt relevant. Es ist eine separate Analyse für die Mehrwertsteuer notwendig.
In Fällen, in denen eine Qualifikation als Nutzungstoken (gemäss MWST-Definition) nicht ausgeschlossen werden kann, schlagen wir vor, genauer zu prüfen, ob eine spezifische Leistung oder zumindest eine bestimmbare zukünftige Leistung vorliegt, die zu einer MWST-relevanten und steuerbaren (Voraus-)Zahlung führt. Basierend auf dem Ergebnis einer solchen Analyse könnte keine oder 7.7% Schweizer Mehrwertsteuer anwendbar sein.
Wenn der Umsatz mit potenziellen Nutzungstoken (gemäss MWST-Definition) erheblich ist, wird ein Ruling mit der ESTV dringend empfohlen, um Rechtssicherheit zu erhalten.
Wir empfehlen ausserdem, dass die erforderlichen Prozesse innerhalb eines Handelssystems ordnungsgemäss implementiert werden, bevor in grossem Umfang mit Nutzungstoken (gemäss MWST-Definition) gehandelt wird.
Für Fragen stehen wir zur Verfügung. Wir unterstützen Sie zudem gerne beim Aufsetzen eines geeigneten Qualifizierungsprozesses für Token aus mehrwertsteuerlicher Sicht oder bei allen anderen rechtlichen, steuerlichen oder regulatorischen Angelegenheiten.