Die Debatte über die Eigentümerschaft der Seeufer zieht sich seit vielen Jahrzehnten durch die politische und juristische Landschaft. In Zürich entfacht sie derzeit besonders hitzige Diskussionen.
Im März 2024 kommt es im Kanton Zürich zur Volksabstimmung über die kantonale Volksinitiative «Für öffentliche Uferwege mit ökologischer Aufwertung» (kurz «Uferinitiative»). Mit der Uferinitiative möchten die Initianten verschiedene Aspekte im Zusammenhang mit dem Bau von Uferwegen u.a. am Zürichsee auf Verfassungsstufe regeln. Im Allgemeinen sollen laut den Initianten See- und Flussufer freigehalten, der öffentliche Zugang zu diesen erleichtert und der Ökologie mehr Gewicht gegeben werden. Konkret soll in der Kantonsverfassung festgeschrieben werden, dass am Zürichsee auf Kantonsgebiet bis ins Jahr 2050 ein durchgehender Uferweg erstellt werden soll.
Derzeit verläuft im Kanton Zürich mit knapp 26 km etwa die Hälfte des Wegs rund um den Zürichsee mehr oder weniger direkt am Ufer. Auf weiteren 12,4 km führt der Weg auf dem Trottoir entlang der Seestrasse. Gemäss Befürwortern der Initiative hat die Bevölkerung ein Recht darauf, möglichst uneingeschränkt auch auf den verbleibenden 12,6 km entlang des Zürichseeufers zu wandern, flanieren und verweilen.
Die Gegner der Initiative, wozu ein Grossteil der Grundeigentümer mit Seeanstoss im Kanton Zürich zählen dürfte, lehnen die Uferinitiative insbesondere mit Verweis auf die verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsgarantie ab. Als weiteres Argument bringen die Initiativgegner die mutmasslich hohen Realisierungskosten dar, welche auch durch Steuerzahler aus Gemeinden fernab der Zürcher Gewässer mitgetragen würde.
Bei der potenziellen Umsetzung eines Uferwegs handelt es sich um eine juristisch komplexe Materie. Rund 95 Prozent des heutigen Zürichseeufers sind künstlich geschaffen. Durch Aufschüttungen im Uferbereich des Zürichsees wurde im 19. und anfangs 20. Jahrhundert neues Land - sogenannte Landanlagen - gewonnen. Die Errichtung solcher Landanlangen setzte eine staatliche Konzession voraus, weshalb das neu gewonnene Land auch als Konzessionsland bezeichnet wird. Beim Konzessionsland stellt sich vorrangig die Frage, wer Eigentümer dieses neu erschaffenen Lands ist. Bis zum Inkrafttreten des Wasserwirtschaftsgesetzes anfangs 1993 wurde der Konzessionsnehmer Eigentümer der Landanlange. Beim erworbenen Eigentum handelt es sich allerdings in aller Regel um beschränktes Eigentum. Das Eigentum an den Landanlagen besteht entsprechend nur im Umfang der jeweiligen Konzessionsbestimmungen. Häufig wurde der Umfang der Nutzungsbefugnisse des Eigentümers eingeschränkt, indem beispielsweise die Überbauung der Landanlangen begrenzt oder ausgeschlossen wurde. Oft ist in den entsprechenden Konzessionen auch konkret vermerkt, dass das Konzessionsland im Falle des Baus eines Seeuferweges (entschädigungslos) an den Kanton zurückfällt. Ob und in welchem Umfang solche Konzessionen bzw. Einschränkungen heute noch Gültigkeit haben und mit hoheitlichem Zwang durchgesetzt werden könnten, gilt es im Einzelfall zu klären.
Der Regierungsrat beantragte dem Kantonsrat bereits im vergangenen Sommer, die Uferinitiative ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Zur Argumentation führt er aus, dass der Umgang mit Uferwegen im Kanton Zürich bereits eingehend geregelt sei und diesbezüglich kein Bedarf an weiteren Bestimmungen auf Stufe Kantonsverfassung bestehe. Die Zürcher Regierung rechnet zudem mit bis zu 460 Millionen Franken für den Bau des Wegs. Zu den prognostizierten Kosten gehören nicht nur die Planungs- und Baukosten des durchgehenden Uferwegs. Zahlreiche Eigentümer dürften den Rechtsweg gegen den Uferweg und die damit potenziell zusammenhängenden Eigentumsbeschränkungen beschreiten. Kosten in Zusammenhang mit möglicherweise mehrjährigen Rechtsstreitigkeiten sind in der Kostenschätzung enthalten und stünden gemäss der Regierung in keinem Verhältnis. Nachdem die Kommission für Planung und Bau (KPB) bereits im Sommer dem Kantonsrat empfohlen hatte, die Initiative abzulehnen, wurde die Vorlage nun am vergangenen Montag mit 97 zu 74 Stimmen auch von der kantonalen Legislative abgelehnt. Damit dürfte es die Initiative auch vor dem Volk erfahrungsgemäss schwierig haben.
Es stellen sich im Zusammenhang mit der Uferinitiative insbesondere für Grundeigentümer mit Seeanstoss im Kanton Zürich komplexe Rechtsfragen rund um die Thematik der (formellen und materiellen) Enteignung, Entschädigungszahlungen, Beseitigungs- und Rückbaupflichten etc. Die rechtliche Situation beurteilt sich massgeblich danach, welche öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen das jeweilige Grundstück im Einzelfall belasten. Falls die Bevölkerung der Initiative im kommenden Frühjahr zustimmt, sind juristische Prozesse zur Klärung der rechtlichen Situation kaum zu vermeiden.
Gerne steht Ihnen unser Bau- und Immobilienrecht-Team bei Fragen rund um die Uferinitiative beratend zur Seite.