Neue Haftungsregeln für Produkte, einschliesslich Software, künstliche Intelligenz, Smart Devices, autonome Fahrzeuge, Arzneimittel etc. in der EU – die wichtigsten Neuerungen und deren Bedeutung für die Schweiz
Die Europäische Kommission hat am 28.09.2022 einen Vorschlag für eine neue Produkthaftungsrichtlinie (Nr. 2022/0302 (COD)) veröffentlicht. Die Änderungen sind so umfangreich, dass die bisherige Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG aus dem Jahr 1985 vollständig ersetzt werden soll.
Die bisherige Produkthaftungsrichtlinie wird zwar insgesamt nach wie vor als effektives Instrument des Verbraucherschutzes angesehen, sie hat aus Sicht der EU-Kommission aber bedeutende Schwachpunkte:
Die Schwachstellen der bisherigen Vorschriften bezüglich neuer digitaler Technologien wurden im Weissbuch der Europäischen Kommission – Zur Künstlichen Intelligenz – ein europäisches Konzept für Exzellenz und Vertrauen, COM(2020)65 final, vom 19.02.2020 und dem am gleichen Tag veröffentlichten Bericht der Europäischen Kommission über die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz, des Internets der Dinge und Robotik auf Sicherheit und Haftung (COM(2020) 64 final, 2020 sowie dem am 27.11.2019 veröffentlichten Bericht der Expert Group on liability for artificial intelligence and other emerging digital technologies bereits analysiert.
Übergeordnete Ziele der neuen Produkthaftungsrichtlinie sind ein wirksamer Verbraucherschutz, einheitliche Wettbewerbsbedingungen und Rechtssicherheit für alle Unternehmen wobei gleichzeitig hohe Kosten und Risiken für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Start-Ups vermieden werden sollen.
Die neue Produkthaftungsrichtlinie wird weitere Haftungsregime auf EU und nationaler Ebene ergänzen, insbesondere die
Darüber hinaus muss die neue Produkthaftungsrichtlinie im Kontext weiterer legislativer Initiativen gesehen werden, insbesondere dem
Die neue Produkthaftungsrichtlinie enthält zahlreiche wesentliche Änderungen, zum Teil aber auch blosse Klarstellungen, u.a.:
Es handelt sich um zwingendes Verbraucherschutzrecht der EU. Soweit EU-Recht anwendbar ist, kann die Haftung gegenüber dem Verbraucher durch Vertrag oder andere gesetzliche Regelungen nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Damit sind vor allem auch vertragliche Beschränkungen der Haftungssumme unwirksam.
Nachdem die Schweiz bereits die bisherige Produkthaftungsrichtlinie mit dem Bundesgesetz über die Produktehaftpflicht (PrHG) fast wortgleich übernommen hat, läge es nahe, dass die Schweiz auch die zukünftige Produkthaftungsrichtlinie aus den gleichen grundsätzlichen Erwägungen übernehmen wird. Das bleibt aber - wohl noch lange - abzuwarten. Bislang hat das Bundesamt für Justiz noch keinen Auftrag sich damit zu befassen. Unabhängig davon, gilt es sowohl jetzt als auch in Zukunft auch für Schweizer Unternehmen zu prüfen, ob sie selbst bzw. ihre Niederlassung in der EU unter das bisherige/neue Produkthaftungsrecht fallen bzw. ihre Geschäftspartner, z.B. «Fulfillment Provider», Online-Plattformen oder Distributoren allenfalls Regressansprüche geltend machen können. Entsprechende Risiken sollten soweit möglich eingeschränkt werden. Gerne beraten wir sie dazu