Das Gericht der Europäischen Union bestätigte den Entscheid des EUIPO, die Eintragung der Marke «Pablo Escobar» abzulehnen. Wie stünden die Chancen für eine Eintragung in der Schweiz?
Mit der Gründung des Medellín-Kartells und dem damit verbundenen Kokainschmuggel verdiente Escobar Milliarden und nahm dafür den Tod Tausender Menschen in Kauf. Da Pablo Escobar bei einer Polizeiaktion Schussverletzungen erlag, kam es nie zu einer Verurteilung Escobars.
Verfahren in der EU
Escobar Inc. mit Sitz in Puerto Rico, gegründet von Robert Escobar, dem Bruder des berüchtigten Pablo Escobar, hat versucht, den Begriff "Pablo Escobar" beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) als Marke für eine breite Palette von Waren und Dienstleistungen eintragen zu lassen. Der Antrag wurde vom EUIPO mit der Begründung abgelehnt, dass der Name Pablo Escobar gegen die guten Sitten und die öffentliche Ordnung verstosse.
Escobar Inc. klagte daraufhin vor dem EU-Gericht in Luxemburg auf Eintragung der Marke und unterlag erneut. Die Richter in Luxemburg teilten die Auffassung des EUIPO und hielten die Marke „Pablo Escobar“ für nicht schutzfähig. Pablo Escobar sei zwar nie strafrechtlich verurteilt worden, gelte aber als einer der grössten Drogenkriminellen und damit als Symbol des organisierten Verbrechens. In diesem Zusammenhang führte das Gericht aus, dass Pablo Escobar und damit auch die Marke in krassem Widerspruch zu den moralischen Werten und Normen der EU stünden. Der Name Pablo Escobar werde vom Durchschnittsadressaten mit Drogenhandel und Drogenterrorismus sowie den damit verbundenen Verbrechen und Leiden in Verbindung gebracht. Demgegenüber argumentierte die Escobar Inc., dass der Name heute längst nicht mehr mit der kriminellen Energie Escobars in Verbindung gebracht werde. Vielmehr sei Escobar für den von ihm gegründeten Zoo und seine altruistische Natur bekannt. Mit diesem Argument drängte die Gesuchstellerin jedoch nicht durch und das Gericht stützte den Entscheid der EUIPO und untersagte die Eintragung der Marke.
Wie sähe es in der Schweiz aus?
Allgemeines
Das schweizerische Markenschutzgesetz unterscheidet zwischen absoluten (Art. 2 MSchG) und relativen Schutzausschlussgründen (Art. 3 MSchG). Die relativen Schutzausschlussgründe umfassen das Recht des Inhabers einer älteren Marke gegen identische oder ähnliche Zeichen für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen vorzugehen, wenn eine Verwechslungsgefahr besteht. Relative Schutzausschlussgründe werden daher nur geprüft, wenn ein anderer Marktteilnehmer dagegen vorgeht. Absolute Ausschlussgründe hingegen bestehen unabhängig von anderen bereits im Verkehr befindlichen Marken und werden bei der Markenanmeldung von Amtes wegen geprüft. Zu den absoluten Schutzhindernissen zählen:
Für die Beurteilung der Frage, ob ein absoluter Ausschlussgrund vorliegt, ist die Sicht der durchschnittlichen Adressaten des betroffenen Verkehrskreises in der Schweiz massgebend. Aus der Sicht dieses Adressatenkreises wird untersucht, wie die anzumeldende Marke wahrgenommen und interpretiert wird, wobei der Gesamteindruck der Marke ausschlaggebend ist.
Vorliegend relevant ist insbesondere der Ausschlussgrund gemäss Art. 2 lit. d. MSchG. Dort wird zwischen der öffentlichen Ordnung und die guten Sitten unterschieden:
Die Sittenwidrigkeit muss sich aus dem Zeichen selbst oder dem Bezug auf die Produkte oder Dienstleistungen, für die der Schutz beantragt wird, ergeben. Nach dem Bundesgericht kann die Sittenwidrigkeit jedoch auch allein in der kommerziellen Nutzung des Zeichens bestehen. Hier ist das Beispiel der Verwendung eines religiösen Zeichens zu erwähnen. Das religiöse Zeichen hat selbst keinen sittenwidrigen Aussagegehalt. Die Kommerzialisierung der Marke hingegen kann unter Umständen das religiöse Empfinden betroffener Kreise verletzen (Madonna-Entscheid, siehe unten).
Die Auffassung, was unter „guten Sitten“ verstanden wird, ist einem stetigen Wandel unterworfen. In entsprechender Weise argumentiert auch das Bundesverwaltungsgericht im Bezug zu sexuell anstössigen Zeichen. Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit sei das Zeitgeschehen zu berücksichtigen. Namentlich im Bereich Sexualität sei eine Liberalisierung zu beobachten, wodurch es durchaus möglich sei, dass ehemals als sittenwidrige qualifizierte Zeichen nach heutigem Verständnis nicht mehr als sexuell anstössig gelten würden. Hingegen ist im Vergleich zur Vergangenheit in einer wachsend multikulturellen Gesellschaft eine verstärkt sensibilisierte Haltung bezüglich dem Respekt gegenüber religiösen Gefühlen zu beobachten.
Beispiele aus der Schweizer Praxis
Madonna: Gegen die Eintragung der Marke „Madonna“ argumentierte das Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (IGE), dass die kommerzielle Nutzung von Madonna, der italienischen Bezeichnung für Maria von Nazareth, das religiöse Empfinden von Angehörigen der katholischen Kirche verletze. Damit verstosse das Zeichen Madonna gegen die guten Sitten. Das Bundesgericht folgte mit Urteil vom 22. September 2010 dieser Ansicht.
Christ: Das IGE gewährte die Eintragung der Marke „Christ“. Die Bezeichnung werde zwar für Anhänger des Christentums oder für die Kurzform von „Jesus Christus“ verwendet, jedoch sei „Christ“ in der Schweiz auch ein äusserst verbreiteter Familienname. Angesichts der Häufigkeit des Namens (mit zu diesem Zeitpunkt knapp 70‘000 Einträgen in Telefonverzeichnissen) überwiege die Bedeutung des Familiennamens, womit die kommerzielle Verwendung zumindest in der Schweiz nicht gegen die guten Sitten verstosse.
Mindfuck: Die Marke „Mindfuck“ verstösst nach Ansicht des IGE gegen die guten Sitten. Die Marke stelle eine Zusammensetzung von den Worten „mind“ und „fuck“ dar, wobei es sich bei letzterem um ein vulgäres Synonym für den Akt des Geschlechtsverkehrs handelt. Das Zeichen beinhalte damit einen sexuell anstössigen, obszönen Zeichenbestandteil, welcher mindestens bei einem Teil der relevanten Abnehmer anstössig empfunden würde, womit es gegen die guten Sitten verstosse. Das Bundesverwaltungsgericht folgte mit Urteil vom 23. März 2017 dieser Ansicht.
Buddha-Bar: Die Eintragung der Marke „Buddha-Bar“ wurde durch das IGE abgelehnt. Buddha gelte als Stifter und religiöse Figur des Buddhismus und sei damit dem Namen einer religiös verehrten Person gleichzusetzen. Eine kommerzielle Verwendung verletze dadurch grundsätzlich das religiöse Empfinden der Anhänger buddhistischen Glaubens. Da die Waren und Dienstleistung, für die die Marke beansprucht werde, keinen religiösen Inhalt oder Bezug aufweise, verstosse das Zeichen gegen die guten Sitten. Das Bundesverwaltungsgericht stützte diese Ansicht mit Urteil vom 9. Dezember 2010.
Happy-Wars: Das IGE gewährte die Eintragung der Marke „Happy-Wars“. Es bestehe keine Gefahr, dass die Marke die Landesinteressen der Schweiz oder das Empfinden ausländischer Staatsangehöriger beeinträchtige. Ferner weise es keinen rassistischen, religionsfeindlichen oder sexuell anstössigen Inhalt auf. Damit verstosse es weder gegen die öffentliche Ordnung noch gegen die guten Sitten.
Bin Ladin: Das IGE verfügte im Juli 2002 den Widerruf der im August 2001 eingetragenen Marke „Bin Ladin“. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 habe sich die Wahrnehmung geändert und die Marke werde neu mit Osama bin Laden in Verbindung gebracht. Die Eidgenössische Rekurskommission folgte der Auffassung des IGE nicht und lehnte den Widerruf ab. Das Gesetz sehe die Möglichkeit eines nachträglichen Widerrufs von Amtes wegen nicht vor. Dennoch prüfte die Rekurskommission, ob der Widerruf durch öffentliche Interessen gerechtfertigt gewesen wäre. Da es sich im vorliegenden Fall um eine grundsätzlich unwiderrufliche Verfügung handle, hätten jedoch nur „besonders wichtige öffentliche Interessen“ den Widerruf erlaubt. Die Rekurskommission erwog, dass es sich bei „Bin Ladin“ um einen im arabischen Sprachraum verbreiteten Familiennamen handle. Zudem sei zum damaligen Zeitpunkt nicht definitiv erwiesen gewesen, dass Osama bin Laden für die Terroranschläge verantwortlich gewesen sei. Die Rekurskommission kam daher zum Schluss, dass die Marke keinen schwerwiegenden Verstoss gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung darstelle. Der Entscheid der Rekurskommission kann jedoch nicht auf die Eintragungspraxis 1:1 übertragen werden, da es um die Frage des Widerrufs und nicht der Eintragung ging. Für den Widerruf sind die Anforderungen wesentlich höher.
Hätte die Eintragung der Escobar Marke in der Schweiz Erfolg?
Nach schweizerischem Recht käme auch eine Zurückweisung der Markenanmeldung wegen Verstosses gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung in Frage. Wir gehen davon aus, dass das IGE mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dem Europäischen Gericht folgen und die Marke „Pablo Escobar“ ebenfalls nicht eintragen würde.
Nicht zuletzt die sehr populäre Netflix-Serie Narcos, die das Leben von Pablo Escobar dokumentiert und sich vor allem mit dem Aufbau des Medellín-Kartells und dem damit verbundenen Drogenhandel und -terror beschäftigt, hat in jüngster Vergangenheit die Wahrnehmung des durchschnittlichen Adressatenkreises verstärkt, dass es sich bei Pablo Escobar um einen Drogenkriminellen und damit um ein Symbol der organisierten Kriminalität handelt. Auch wenn sich Pablo Escobar tatsächlich für die Allgemeinheit und insbesondere für die ärmeren Bevölkerungsschichten eingesetzt hat, dürfte ein überwiegender Teil des Adressatenkreises den Namen Pablo Escobar mit seiner kriminellen Karriere verbinden.
Darüber hinaus kann auch nicht von der Hand gewiesen werden, dass sich das IGE durch den EU-Entscheids gewissermassen beeinflussen liesse. Das Europäische Gericht stellt in seinem Urteil aber primär auf die Wahrnehmung des durchschnittlichen Adressaten spanischer Nationalität ab. Diese seien mit Pablo Escobar am ehesten vertraut und würden diesen als Kriminellen wahrnehmen. Somit wäre entscheidend für die Eintragung in der Schweiz, ob die Wahrnehmung des schweizerischen Durchschnittsadressaten in gleicher Weise zu beurteilen wäre. So oder so: Der absolute Schutzausschlussgrund der Sittenwidrigkeit oder des Verstosses gegen die öffentliche Ordnung sollte unseres Erachtens zurückhaltend angewendet werden, um das IGE nicht zu einer Sittenpolizei zu machen.