Am 17. März 2023 wurde mit Art. 37 Abs. 1bis KVG eine Ausnahmevorschrift für die Zulassung als Leistungserbringer für einzelne Fachbereiche auf Bundesebene eingeführt.
Die Revision des KVG verfolgte insbesondere das Ziel, die Kosten einzudämmen und die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringer zu erhöhen. Letzteres führte dazu, dass ab dem 1. Januar 2022 neue Bestimmungen für die Abrechnung von ambulant erbrachten Leistungen zulasten der OKP in der Schweiz gelten. Mit Art. 37 Abs. 1bis KVG werden nun die Kantone zur Einführung einer Ausnahmebestimmung ermächtigt.
Revision des KVG vom 1. Januar 2022
Art. 37 Abs. 1 KVG sieht unter anderem vor, dass Ärzte mindestens drei Jahre im beantragten Fachgebiet an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte gearbeitet haben müssen, um als Leistungserbringer zulasten der OKP tätig sein zu dürfen. Die Bestimmung gilt für alle tätigen Ärzte, die bis zum 1. Januar 2022 noch nicht zu Lasten der OKP abrechnen durften. Das revidierte KVG stellt somit erhöhte Anforderungen an Ärzte, welche zulasten der OKP abrechnen wollen.
Dadurch besonders betroffen sind ausländische Ärzte oder ambulante Institutionen, welche diese beschäftigen. Aufgrund der erfolgten Änderung ist es für ausländische Ärzte zurzeit unmöglich – ungeachtet der Tatsache, ob sie einen anerkannten Facharzttitel verfügen –, sofort zulasten der OKP tätig zu werden. Dies gilt sowohl für selbständig Erwerbende als auch Angestellte einer ambulanten ärztlichen Institution. Art. 37 KVG verlangte bis anhin ausnahmslos, dass alle Ärzte mindestens drei Jahre im beantragten Fachgebiet an einer anerkannten Weiterbildungsstätte in der Schweiz gearbeitet haben, wenn sie zulasten der OKP abrechnen wollen.
Neue Ausnahmen betreffend die Zulassungsvoraussetzungen für einzelne Fachrichtungen
Bereits im Mai 2022, also nur 5 Monate nach dem Inkrafttreten von Art. 37 KVG, äusserten verschiedene Kantone und andere Institutionen ihre Kritik betreffend der Zulassungsvoraussetzungen. Hierbei wurde insbesondere angemerkt, dass die Voraussetzung in einem Widerspruch zum geltenden Freizügigkeitsabkommen steht und zu einer Unterversorgung führt. Die Unterscheidung zwischen den ambulanten und stationären Leistungserbringern zeige zudem auf, dass die Anforderung nicht das Ziel der Qualitätssicherung verfolge.
Das Bundesparlament hat diese Kritik als berechtigt betrachtet und ist gesetzgeberisch aktiv geworden. Der am 17. März 2023 in Kraft getretene Art. 37 Abs. 1bis KVG bestimmt, dass die Kantone für folgende Fachbereiche eine Ausnahme von der Pflicht der dreijährigen Tätigkeit an einer schweizerischen Weiterbildungsstätte vorsehen können, wenn auf dem Kantonsgebiet in den betroffenen Bereichen eine Unterversorgung besteht: Allgemeine Innere Medizin (als einziger Weiterbildungstitel); Praktischer Arzt oder Praktische Ärztin (als einziger Weiterbildungstitel); Kinder- und Jugendmedizin sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie.
Aufgrund der Kann-Vorschrift handelt es sich um eine Ermächtigung der Kantone auf Bundesebene. Um als betroffene Person davon Gebrauch machen zu können, bedarf es zuerst einer konkreten Umsetzung durch den betroffenen Kanton. Es ist allgemein bekannt, dass sich schon einige Kantone mit der Umsetzung dieser Bestimmung befassen.
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