DLT-Mantelverordnung schafft Rechtssicherheit im SchKG
Ob verwahrte kryptobasierte Vermögenswerte bereits mit Hilfe von Art. 242 SchKG ausgesondert werden konnten, war in der Lehre bisher umstritten. Am 1. August 2021 ist nun Art. 242a SchKG in Kraft getreten, der Klarheit bei der Aussonderung kryptobasierter Vermögenswerte schafft.
Neu wird zudem mit Art. 242b SchKG ein gesetzlicher Anspruch für den Zugang zu Daten geschaffen, die sich in Gewahrsam der Konkursmasse befinden. Damit wurde ein weitgehend unbestrittenes Anliegen ins SchKG aufgenommen.
Kryptobasierte Vermögenswerte werden in der Praxis aus Sicherheitsgründen häufig nicht durch die wirtschaftlich berechtigte Person, sondern durch einen Dritten verwahrt (z.B. einen «Wallet Provider» als Verwahrer, der die verschiedenen Zugangsschlüssel («Private Keys») verwaltet). Erforderlich ist für den Berechtigten nur noch der Zugang zum Konto, während der Zugang zu den einzelnen Tokens durch den Verwahrer übernommen wird. Wird über den Verwahrer der Konkurs eröffnet, stellt sich die Frage, ob die verwahrten kryptobasierten Vermögenswerte in dessen Konkursmasse fallen und ob diese an die wirtschaftlich berechtigte Person ausgesondert werden (BBl 2020, 263). Unter den Begriff «kryptobasierte Vermögenswerte» fallen sämtliche Vermögenswerte, bei denen die Verfügungsmacht ausschliesslich über ein kryptobasiertes Zugangsverfahren vermittelt wird (BBl 2020, 292).
Kann der wirtschaftlich Berechtigte unmittelbar auf die kryptobasieren Vermögenswerte zugreifen, fallen die kryptobasierten Vermögenswerte nicht in die Konkursmasse des Verwahrers. Gleiches gilt, wenn mehr als ein Schlüssel zur Verfügung über den Vermögenswert erforderlich ist («Multi-Signature-Adresse») und die Konkursmasse ohne die Mitwirkung weiterer berechtigter Personen über die kryptobasierten Vermögenswerte nicht allein verfügen kann (BBl 2020, 264). In diesem Fällen ist eine Aussonderung nicht erforderlich, weil die Konkursmasse nicht eigenständig über den kryptobasierten Vermögenswert verfügen kann. Nur wenn der wirtschaftlich Berechtigte keinen eigenen Zugriff auf den kryptobasierten Vermögenswert hat und die Konkursmasse über sämtliche Schlüssel verfügt, um selber unmittelbar auf den Vermögenswert zuzugreifen, fällt der kryptobasierte Vermögenswert in die Konkursmasse und muss vom wirtschaftlich Berechtigten mittels Aussonderungsklage herausverlangt werden (BBl 2020, 265).
Die Aussonderung von kryptobasierten Vermögenswerten ist nach Art. 242a Abs. 2 SchKG an zwei Voraussetzungen geknüpft:
Erstens muss sich der Gemeinschuldner (Verwahrer von kryptobasierten Vermögenswerten) gegenüber dem Dritten (wirtschaftlich Berechtigter) verpflichtet haben, die kryptobasierten Vermögenswerte jederzeit für ihn bereitzuhalten, über die Vermögenswerte also (in Bezug auf die Anzahl Einheiten) ununterbrochene Verfügungsmacht zu haben. Eigengeschäfte des Gemeinschuldners mit den hinterlegten kryptobasierten Vermögenswerten sind damit unzulässig. Sofern solche vertraglich erlaubt sind, liegt keine Hinterlegung vor, weshalb eine Aussonderung nicht möglich ist und von Einlagen im Sinne des BankG auszugehen ist (BBl 2020, 292 f.).
Zweitens müssen die kryptobasierten Vermögenswerte dem Dritten individuell zugeordnet werden können (lit. a) oder einer Gemeinschaft zugeordnet werden können und ersichtlich sein, welcher Anteil am Gemeinschaftsvermögen dem Dritten zusteht (lit. b). Aussonderbar ist in diesem Fall der dem Dritten zustehende Anteil der noch vorhandenen kryptobasierten Vermögenswerte (BBl 2020, 293).
Sofern die betreffenden Voraussetzungen erfüllt sind, besteht ein Anspruch des Dritten (wirtschaftlich Berechtigter) gegenüber der Konkursmasse auf Herausgabe der kryptobasierten Vermögenswerte. Dabei ist zu beachten, dass die Kosten für die Herausgabe der Vermögenswerte der Dritte und nicht die Konkursmasse tragen muss (Art. 242a Abs. 4 SchKG).
Befinden sich Daten in der Verfügungsmacht der Konkursmasse, so kann neu jeder Dritte, der eine gesetzliche oder vertragliche Berechtigung an den Daten nachweist, je nach Art der Berechtigung den Zugang zu diesen Daten oder deren Herausgabe aus der Verfügungsmacht der Konkursmasse verlangen (Art. 242b Abs. 1 SchKG).
Anlass für die neue Bestimmung zur Herausgabe von Daten war, dass das SchKG vor der Revision lediglich für «Sachen» ein Aussonderungsrecht vorsah (Art. 242 Abs. 1 SchKG), dagegen nicht für Daten, obwohl diese für die Berechtigten unter Umständen wichtiger sind als körperliche Gegenstände. Hinzu kommt, dass die Daten in vielen Fällen keinen objektiven Vermögenswert haben und deshalb nicht pfändbar im Sinne des SchKG sind. Verweigerte die Konkursverwaltung die Herausgabe der Daten, bestand damit bisher kein gesetzlicher Anspruch, um deren Herausgabe durchzusetzen (BBl 2020, 266).
Art. 242b SchKG ermöglicht nun neu eine Herausgabe von Zugangsdaten und Passwörtern, über welche die Konkursmasse die Verfügungsmacht hat. Gerade in Fällen, in denen die Konkursmasse keinen Gewahrsam über die kryptobasierten Vermögenswerte innehat, ihre Mitwirkung aber für eine Verfügung über die Vermögenswerte notwendig ist, weil sich bestimmte Passwörter in ihrem Gewahrsam befinden, kann die Herausgabe kryptobasierter Vermögenswerte unter Umständen nicht über Art. 242a SchKG, sondern ausschliesslich auf diesem Weg abgewickelt werden (BBl 2020, 267). Die Daten können nur herausgegeben werden, wenn ein gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch besteht. Der vertragliche Anspruch muss vor Konkurseröffnung begründet worden sein. Weigert sich die Konkursverwaltung, die Daten herauszugeben, muss der Gesuchsteller seinen Anspruch auf Zugang der Daten oder Herausgabe gerichtlich durchsetzen (Art. 242b Abs. 2 SchKG). Die Kosten für den Datenzugang oder die Herausgabe hat er dabei selbst zu tragen (Art. 242b Abs. 3 SchKG).