01. Januar 2024

Emissionsabgabe und Sanierungen

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Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 7. September 2023 entschieden, dass Verluste bilanziell ausgebucht werden müssen, damit Sanierungszuschüsse bis zur Höhe des Freibetrags von CHF 10 Mio. von der Emissionsabgabe ausgenommen sind. Damit unterstützt das Bundesgericht die bisherige Praxis der ESTV und widerspricht dem Bundesverwaltungsgerichtsurteil vom 29. November 2021.

  • Thomas Linder

    Tax Partner
  • Mario D. Rada

    Tax Advisor
  • Christina Stocker

    Senior Tax Advisor

Hintergrund

Die Begründung und Erhöhung des Nennwerts von Beteiligungsrechten und die Zuschüsse des direkten Anteilsinhabers an die Gesellschaft unterliegen grundsätzlich der Emissionsabgabe in Höhe von 1 Prozent. Sanierungsmassnahmen sind jedoch von der Emissionsabgabe ausgenommen, soweit die (einmalige) Sanierungsfreigrenze von CHF 10 Mio. beansprucht werden kann (Art. 6 Abs. 1 lit. k StG).

Die Sanierungsfreigrenze kann nur in Anspruch genommen werden, sofern bestehende Verluste beseitigt werden (Art. 6 Abs. 1 lit. k Lemma 1 StG). Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil A-5073/2020 vom 29. November 2021 entschieden, dass keine bilanzielle Ausbuchung der Verluste vorausgesetzt wird, um das Erfordernis der Verlustbeseitigung zu erfüllen. Mehr Details dazu finden Sie in unserem Beitrag Emissionsabgabe und Sanierungen vom 01. Januar 2022. Die ESTV hat diesbezüglich beim Bundesgericht eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben.

Neue Rechtsprechung

Das Bundesgericht hat im Urteil 9C_610/2022 vom 7. September 2023 dem vorherigen Bundesverwaltungsgerichtsurteil (teilweise) widersprochen: Die Sanierungsfreigrenze von CHF 10 Mio. ist nicht anwendbar, wenn die sanierungsbedürftige Gesellschaft gleichzeitig Kapitaleinlagereserven bildet und die Verluste somit nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht beseitigt.

Stattdessen setzt das Bundesgericht voraus, dass vorhandene Verluste gegen die getätigten Sanierungszuschüsse ausgebucht werden. Zudem muss dies im Zeitpunkt geschehen, in welchem die Sanierungsmassnahme zu verbuchen ist. Damit will das Bundesgericht die zuständigen Gesellschaftsorgane vor die Wahl stellen, ob sie entweder ein Emissionsabgabeersparnis oder die Bildung von Kapitaleinlagereserven erzielen wollen.

Auswirkungen in der Praxis

Die neue (bzw. alte) Praxis zur Sanierungsfreigrenze für die Emissionsabgabe wirft in der Praxis einige Fragen auf.

Das Bundesgericht äusserte sich nicht zu den Voraussetzungen für einen Erlass der Emissionsabgabe nach Art. 12 StG im Urteil 9C_610/2022 vom 7. September 2023. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar im Urteil A-5073/2020 vom 29. November 2021 rechtskräftig entschieden, dass keine Ausbuchung der Verluste für einen Emissionsabgabeerlass vorausgesetzt wird. Es bleibt dennoch abzuwarten, wie sich die Praxis der ESTV diesbezüglich entwickeln wird.

Die Lehre sieht teilweise auch eine Problematik im Zusammenhang mit dem neuen Rechnungslegungsrecht, welches seit dem 1. Januar 2023 gilt: Nach Art. 671 Abs. 1 Ziff. 3 OR sind Zuschüsse durch Inhaber der gesetzlichen Kapitalreserve zuzuweisen. Dies beinhaltet gemäss HWP auch Sanierungszuschüsse¹. Somit stehe eine direkte Verbuchung von Sanierungszuschüssen mit bestehenden Verlusten, wie es das Bundesgericht voraussetzt, im Widerspruch zum geltenden Rechnungslegungsrecht².

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[1] Vgl. EXPERTsuisse, Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung, Band «Buchführung und Rechnungslegung», Zürich 2023, Teil III N 573

[2] Vgl. GERNOT ZITTER, «Verlustbeseitigung» als Voraussetzung des Sanierungsfreibetrages, Steuer Revue 2023, 866 ff.

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