11. Dezember 2024

ESG: Nachhaltigkeit im öffentlichen Beschaffungswesen

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Jedes Jahr beschafft die öffentliche Hand (Bund, Kantone und Gemeinden) Waren, Dienst- und Bauleistungen für mehr als 41 Mrd. CHF. Durch ihre Nachfrage kann die öffentliche Hand insbesondere in der Kreislaufwirtschaft eine Vorreiterrolle einnehmen und so wirksam zum Klimaschutz und zur Schonung der natürlichen Ressourcen beitragen. Geht der Staat bei der ökologischen Beschaffung mit gutem Beispiel voran, stärkt er auch die Glaubwürdigkeit der staatlichen Umweltpolitik.

  • Adrian Peyer

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Rechtliche Rahmenbedingen:

Die Vereinten Nationen haben sich 17 Ziele für die nachhaltige Entwicklung gesteckt. Bis 2030 sollen alle UNO-Mitgliedsstaaten diese erreichen. Ein Unterziel der Übereinkunft, zu der sich auch die Schweiz verpflichtet hat, lautet: «In der öffentlichen Beschaffung nachhaltige Verfahren fördern.» Demnach gilt es, Güter, Dienst- und Bauleistungen sowie Produktionsformen zu begünstigen, die den sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Ansprüchen der Nachhaltigkeit gerecht werden.

Jedes Jahr beschafft die öffentliche Hand (Bund, Kantone und Gemeinden) Waren, Dienst- und Bauleistungen für mehr als 41 Mrd. CHF. Damit kann sie als Konsumentin einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Markt nehmen. Mit ökologischen Anforderungen, z.B. hinsichtlich des Energieverbrauchs oder des Chemikaliengehalts der gelieferten Produkte, und einer konsequenten Berücksichtigung des Lebenszyklus fördert die öffentliche Hand die Entwicklung qualitativ hochstehender, innovativer und ressourcenschonender Produkte. Durch ihre Nachfrage kann die öffentliche Hand insbesondere in der Kreislaufwirtschaft eine Vorreiterrolle einnehmen und so wirksam zum Klimaschutz und zur Schonung der natürlichen Ressourcen beitragen. Geht der Staat bei der ökologischen Beschaffung mit gutem Beispiel voran, stärkt er auch die Glaubwürdigkeit der staatlichen Umweltpolitik.


Kriterien der Nachhaltigkeit:

Der Fokus bei der öffentlichen Beschaffung liegt auf den Umwelt- und Sozialkriterien sowie der Korruptionsprävention.

  • Umweltkriterien beziehen sich auf die Prinzipien 7 bis 9 des UNGC.
    D.h. die Anwendung des Vorsorgeprinzips, insbesondere bezüglich Klimawandel und Treibhausgasemissionen, die Förderung des Umweltbewusstseins, der Ressourceneffizienz sowie die Entwicklung, Anwendung und Verbreitung umweltfreundlicher Technologien (d.h. Innovationsförderung). Ökologische Beschaffung bedeutet nach heute herrschender Auffassung nicht nur die Berücksichtigung von Anbietern und Produkten, welche die Umweltschutzgesetzgebungen einhalten. Vielmehr soll die öffentliche Hand auch nach Produkten und Dienstleistungen mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Umwelt fragen. Dies heisst, dass Produkte und Dienstleistungen über ihren gesamten Lebenszyklus (Planungs-, Herstellungs-, Nutzungs- und Entsorgungsphase) ökologischen Anforderungen entsprechen müssen.
  • Sozialkriterien beziehen sich auf die Prinzipien 1 bis 6 des UNGC.
    D.h. diese sollen eine „Komplizenschaft“ bei Menschenrechtsverletzungen verhindern, die durch Dritte begangen werden, namentlich durch Lieferanten (z.B. betreffend die Sicherheit am Arbeitsplatz, die Einhaltung von Arbeitszeiten und die faire Entlöhnung). Zu den Sozialkriterien zählt insbesondere die Einhaltung der acht ILO-Kernübereinkommen (z.B. Abschaffung von Kinder- und Zwangsarbeit sowie die Sicherstellung der Vereinigungsfreiheit und der Nichtdiskriminierung). Der Beschaffer muss im Rahmen seiner Möglichkeiten sicherstellen, dass diese Prinzipien eingehalten werden
  • In der Dimension Korruptionsprävention muss sich der Beschaffer im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür einsetzen, dass Korruption, einschliesslich Erpressung und Bestechung, im Beschaffungsprozess verhindert wird (vgl. Prinzip 10 des UNGC).


Kantonale Regelungen anhand des Beispiels des Kantons Zürich:

Im Kanton Zürich ist die revidierte Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (revidierte IVöB) seit 1. Oktober 2023 in Kraft. Das neue Vergaberecht enthält ein klares Bekenntnis zur nachhaltigen Beschaffung. Nachhaltigkeit wird beispielsweise bereits im Zweckartikel (Art. 2 IVöB) erwähnt. Eine der wichtigsten Anpassungen ist Art. 41 IVöB: Neu erhält «das vorteilhafteste Angebot» (vorher «das wirtschaftlich günstigste Angebot») den Zuschlag. Ökologische und soziale Kriterien können in die Zuschlagskriterien integriert werden (Art. 29 IVöB).

Die Leitlinien konkretisieren die Beschaffungspolitik des Regierungsrates und unterstützen die kantonale Verwaltung und interessierte Gemeinden bei der Umsetzung der IVöB. Die Leitlinien wurden in Zusammenarbeit mit den Beschaffungsstellen des Kantons und mit externer Beratung entwickelt und im September 2023 veröffentlicht (Leitlinien für nachhaltige Beschaffung | Kanton Zürich).

Konkret: Darf die öffentliche Hand z.B. Labels in der Ausschreibung verlangen?

Umwelt- und andere Labels dürfen als technische Spezifikation und als Zuschlagkriterien verwendet werden. Denkbar ist auch, Labels als Nachweis für die Einhaltung von Teilnahmebedingungen einzusetzen. Wenn es einer umweltgerechten und sozialverträglichen Herstellung des Beschaffungsgegenstands dient, dürfen im Rahmen der neuen Vergabekultur auch Labels verlangt werden, die Anforderungen an das allgemeine Unternehmenshandeln enthalten (z.B. Fairtrade).

Der Grundsatz der Gleichbehandlung gebietet es jedoch, gleichwertige Labels zu akzeptieren. Jedes Angebot, das dieselben Anforderungen erfüllt, ist zuzulassen.

Wenn Labels als Nachweise verlangt werden, ist zu bedenken, dass diese kostenpflichtig sind und von KMU daher teilweise nicht beantragt werden. Darum sind gleichwertige Nachweise ebenfalls zu akzeptieren.

Das mit Unterstützung des BAFU entwickelte Webportal «labelinfo.ch» gibt einen Überblick über die relevantesten auf dem Schweizer Markt vorhandenen Labels (siehe dazu «Empfehlungen für die ökologische öffentliche Beschaffung»).


Wie kann sich ein Unternehmen im Ausschreibungsverfahren besser positionieren?

Unternehmen sehen sich mit erhöhten und sehr unterschiedlichen Anforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit bei Ausschreibungen konfrontiert, sei dies durch private Unternehmen oder die öffentliche Hand.

Grosse Unternehmen, welche börsenkotiert sind, verfügen heutzutage über ausführliche Nachhaltigkeitsberichte mit detaillierten Angaben. KMUs, welche zurzeit gesetzlich noch nicht verpflichtet sind, solche Angaben zu erheben und zu berichten, haben oft Mühe, die erforderlichen Daten und Informationen in einer Ausschreibung einzureichen.

Wir empfehlen daher, sich mit Labels und Standards proaktiv auseinanderzusetzen.

Es stehen unterschiedliche Tools und Labels für Unternehmen zur Verfügung, um ihre Nachhaltigkeitsbemühungen bewerten zu lassen.

Ecovadis (ecovadis.com) ist zum Beispiel ein international anerkannter Standard. Aufgrund des relativ aufwändigen Evaluationsverfahrens ist dieser eher für grössere Unternehmen geeignet. Für KMU, welche weniger Ressourcen haben, können zum Beispiel mit dem Schweizer Tool «esg2go» ihre Nachhaltigkeitsbemühungen bewerten und einen entsprechenden Bericht erstellen lassen (esg2go.org). Gewisse schweizerische Unternehmen verlangen denn auch, dass ihre Lieferanten einen derartigen Bericht vorlegen.

Unabhängig davon, welches Tool angewandt wird, empfehlen wir, dass ein Unternehmen seine Nachhaltigkeitsdaten (z.B. CO2-Ausstoss, Energieverbrauch, Papierverbrauch, Anzahl Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen etc.) erfasst und Prozesse sowie Verantwortlichkeiten innerhalb der Unternehmung festlegt und dokumentiert. Ziel muss es sein, eine solide Basis für die Erfassung der Daten zu schaffen, welche in Zukunft auch «prüffest» sein wird.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass Angaben über Klimabelange richtig sein müssen (ESG: Schweiz beschliesst Verbot des Greenwashing). Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wird diesbezüglich verschärft: «Angaben über sich, seine Werke oder Leistungen in Bezug auf die verursachte Klimabelastung macht, die nicht durch objektive und überprüfbare Grundlagen belegt werden können.» (Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG).

Bei Fragen zur Nachhaltigkeit im öffentlichen Beschaffungsrecht können Sie sich gerne an unser ESG-Team wenden.


Anhang:

Übersicht relevante Rechtserlasse (international und Bundesebene):

Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption, in Kraft: 24. Oktober 2009 (Stand: 5. Mai 2017), SR 0.311.56.

OECD-Konvention zur Bestechungsbekämpfung (Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr), in Kraft: 30. Juli 2000 (Stand: 25. März 2015), SR 0.311.21.

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung (RVOV) vom 25. November 1998 (Stand: 1. September 2017), SR 172.010.1.

Bundespersonalgesetz (BPG) vom 24. März 2000 (Stand: 1. Januar 2017), SR 172.220.1.

Bundespersonalverordnung (BPV) vom 3. Juli 2001 (Stand: 1. Januar 2017), SR 172.220.111.3.

Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) vom 16. Dezember 1994 (Stand: 1. Januar 2016), SR 172.056.1.

Verordnung über die Organisation des öffentlichen Beschaffungswesens der Bundesverwaltung (OrgVöB) vom 24. Oktober 2012 (Stand 1. Januar 2017), SR 172.056.15.

Verordnung über das Immobilienmanagement und die Logistik des Bundes (VILB) vom 5. Dezember 2008 (Stand: 1. Januar 2016), SR 172.010.21.


Weiterführende Informationen (siehe bkb.admin.ch):

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