Greenwashing ist in aller Munde, jedoch ist dies nicht die einzige „Klage-Farbe“ die droht.
„Greenwashing“: Unternehmen stellen sich oder ihre Produkte nachhaltiger, umweltfreundlicher oder klimaschonender dar, als dies tatsächlich der Fall ist.
Beispiel: Beschwerde gegen Marketing mit «CO2-neutrales Skifahren»
Die Engadin St. Moritz Mountains AG machte auf ihrer Webseite Werbung damit, dass man in ihrem Skigebiet angeblich “CO2-neutral Skifahren” könne.
Grundlage für die Behauptung der Bergbahnen war ihr Umstieg auf einen neuartigen fossilen synthetischen Kraftstoff namens “GTL Fuel Alpine”.
Für den Konsumentenschutz war klar, dass die Bezeichnung “CO2-neutral” irreführend und die Werbung der Engadin St. Moritz Mountains AG als unlauter zu bezeichnen sei. Auf Grundlage der vorhandenen Informationen reichte der Konsumentenschutz beim SECO eine Beschwerde wegen unlauterer Geschäftspraktiken nach Art. 3 Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ein.
Das SECO hat daraufhin die St. Moritz Mountain AG gerügt und dazu aufgefordert, den Begriff des klimaneutralen Schneesports nicht mehr zu verwenden, da dieses Versprechen irreführend sei.1, 2
„Bluewashing“: Unternehmen bewerben sich oder ihre Produkte mit ihrem sozialen Engagement und ihrem Verantwortungsbewusstsein, obwohl dies nicht der Wahrheit entspricht oder entsprechende Engagements nur kurzfristig umgesetzt werden.
Beispiel: In der Schweiz ist (noch) keine öffentliche Beschwerde bekannt, jedoch sind Fälle aus UK bekannt3.
„Purplewashing“ / „Rainbow washing“: Unternehmen verkünden Gleichberechtigung, leben diese aber nicht in der Unternehmenskultur oder sie verwenden Strategien, um durch angebliche Identifikation mit LGBTQ+ Bewegung, ihre Produkte zu bewerben.
Beispiel: Auch diesbezüglich sind in der Schweiz ist (noch) keine öffentlichen Beschwerden bekannt und auch international noch nicht verbreitet.
Schweiz
Die Strafbarkeitsrisiken für Unternehmer bzw. Unternehmerinnen sowie Unternehmen, die hinsichtlich ihrer Unternehmen bzw. Produkte Greenwashing betreiben, sind überschaubar. Die Hürden für die Bestrafung von Greenwashing unter den Tatbestand des Betrugs gemäss Art. 146 StGB sind hoch. Es fehlt in der Regel am Motivationszusammenhang oder am mangelnden Schadenseintritt. Beides muss von den Strafbehörden nachgewiesen werden.
Am grössten ist das Risiko eines Verstosses gegen Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG (i.V.m. Art. 23 Abs. 1 UWG). Unlauter handelt gemäss diesem Auffangtatbestand, wer über sich, seine Firma, seine Geschäftsbezeichnung, seine Waren, Werke oder Leistungen, unrichtige oder irreführende Angaben macht. Greenwashing ist das Werben mit (unzutreffenden) Nachhaltigkeitsversprechen und damit (primär) um eine wettbewerbsrechtliche Frage.5 Dieser Auffangtatbestand ist auch auf Fälle von Blue- und Purplewashing anwendbar.
Bei Greenwashing kommt neu ab 1.1.2025 der spezifische Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG zur Anwendung: «Unlauter handelt insbesondere, wer Angaben über sich, seine Waren, Werke oder Leistungen in Bezug auf die verursachte Klimabelastung macht, die nicht durch objektive und überprüfbare Grundlagen belegt werden können.»
Mit der Gesetzesänderung verschärft die Schweiz den Kampf gegen Greenwashing auch in der Realwirtschaft.6
Als Angaben in Bezug auf die Klimabelastung kommen diverse Informationen in Frage:
Das Greenwashing-Verbot betrifft verschiedene Tätigkeiten und Unternehmensbereiche. Insbesondere:
Verletzungen des UWG können zivilrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen haben. Klageberechtigt sind nicht nur Konkurrenten, sondern auch Kunden, Berufs- und Wirtschaftsverbände sowie Konsumentenschutzorganisationen. So hat der Konsumentenschutz Schweiz eine Meldeplattform eingeführt, bei der Konsumenten einen Verdacht auf Greenwashing melden können.7
Die «Richtlinie über Nachweisbarkeit und Kommunikation umweltbezogener Produktangaben» (sog. „Green Claims Directive“) soll Transparenz schaffen und Konsumenten die Gewissheit geben, dass etwas, was als umweltfreundlich beworben wird, es auch tatsächlich ist.
Die vorgeschlagene Richtlinie würde detaillierte Vorschriften für die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen über Produkte und die diesbezügliche Kommunikation im Zusammenhang mit Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern enthalten.
Sie würde für freiwillige ausdrückliche Umweltaussagen und Kennzeichnungssysteme gelten, d. h. für Zertifizierungssysteme, in deren Rahmen bescheinigt wird, dass ein Produkt, ein Verfahren oder ein Unternehmen die Anforderungen an ein Umweltzeichen erfüllt.
Die Mitgliedstaaten müssten sicherstellen, dass die Unternehmen eine Bewertung zur Begründung von Umweltaussagen durchführen. Eine vorgeschriebene Methode für diese Bewertung gibt es jedoch nicht.
Darüber hinaus würden einige Anforderungen für vergleichende Umweltaussagen festgelegt.
Mit der vorgeschlagenen Richtlinie würden auch Anforderungen an Umweltzeichensysteme festgelegt. Die Mitgliedstaaten müssten Verfahren festlegen, mit denen eine Ex-ante-Überprüfung der Begründung von Aussagen und der diesbezüglichen Kommunikation anhand der in der Richtlinie festgelegten Anforderungen sichergestellt wird. Diese Überprüfung ist von einer Prüfstelle durchzuführen, die eine Konformitätsbescheinigung ausstellt, mit der bescheinigt wird, dass die Aussage oder das Zeichen den Anforderungen entspricht.8
Das EU-Parlament nahm am 12. März 2024 in erster Lesung Stellung. Am 17. Juni 2024 hat der Europäische Rat seinerseits einen Standpunkt veröffentlicht. Mit Beginn der neuen Legislaturperiode werden die Verhandlungen fortgeführt. Nach einer endgültigen Einigung haben die Mitgliedstaaten sodann 18 Monate Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht zu integrieren und zusätzlich zwölf weitere Monate, bis die Bestimmungen tatsächlich in Kraft treten.
Unternehmen sollten die «Awareness» (Sensibilisierung) für das Thema Greenwashing (und Blue- sowie Purplewashing) schärfen und angemessene Massnahmen ergreifen.
Massnahmen können z.B. die Integration ins Risikomanagement und IKS oder entsprechende Weisungen und Kontrollen sein. Ebenso sollten die relevanten Personen (z.B. VR, GL, Marketing, Kommunikation etc.) spezifische Schulungen erhalten.
Eine solide Governance ist das Fundament auch in der Prävention von Greenwashing. «Box-Ticking» genügt nicht nur nicht, sondern birgt selbst ein Greenwashing Risiko, wenn das Ziel einer nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit aus den Augen gerät. Eine externe Überprüfung (Audit, Zertifikate, Labels) kann das Vertrauen zusätzlich fördern und kann das Haftungsrisiko des Unternehmens, des Verwaltungsrats und der obersten Geschäftsführung minimieren.9
Ebenso sollten Schweizer Unternehmen, welche in der EU tätig sind (oder ihre Produkte dort bewerben), die regulatorischen Entwicklungen genau verfolgen.
Unser ESG Team unterstützt sie kompetent bei der Prävention von Verfahren, während unser Litigation Team im Fall drohender oder laufender Verfahren jederzeit zur Verfügung steht. Gerne stehen Ihnen unser ESG und Litigation Teams für ein erstes unverbindliches Gespräch zur Verfügung.
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Quellen:
1https://www.konsumentenschutz.ch/allgemein/2022/12/beschwerde-gegen-co2-neutrales-skifahren/
2Weitere Beispiele: https://www.mme.ch/en/magazine/articles/climate-lawsuits-greenwashing-and-bluewashing-recent-esg-lawsuits-and-pro-ceedings-in-switzerland-implications-for-management-and-boards
3https://www.leighday.co.uk/news/news/2022-news/tesco-and-intertek-face-claims-of-forced-labour-and-debt-bondage-at-ff-fashion-factory/
4Die folgenden Ausführungen berücksichtigen die Spezialvorschriften des Finanzmarktrechts nicht (siehe dazu z.B. Dr. Tadas Zukas, European Sustainable Finance Regulation in a Nutshell, 2024)
5Greenwashing und (Unternehmens-)Strafrecht Jan Wenk/Marianne Johanna Lehmkuhl in C21744-A03_ZSR-I_2023-05_GzD 403..534 ++
6https://www.mme.ch/de-ch/magazin/artikel/esg-schweiz-beschliesst-verbot-des-greenwashing
7ESG: Schweiz beschliesst Verbot des Greenwashing
8'Green claims' directive
9SIX Handbücher | Präventionsmassnahmen