28. Juni 2024

ESG: Wird ihr Unternehmen von den neuen Transparenzvorschriften über Nachhaltigkeitsaspekte betroffen sein?

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10 wesentliche Neuerungen, die sie wissen und prüfen sollten!

Die vom Bundesrat am 26.6.24 vorgeschlagenen Änderungen des Obligationenrechts (OR Art. 964a – 964c «Transparenz über Nachhaltigkeitsaspekte») enthalten folgende wesentliche Neuerungen:

1. Anpassung an das EU-Recht

Die Bestimmungen zur "Transparenz über nichtfinanzielle Belange" im Schweizer Obligationenrecht (Art. 964a – 964c OR) sollen an die verschärften EU-Normen angepasst werden. Dies betrifft insbesondere die Richtlinie (EU) 2022/2464 vom 14. Dezember 2022 (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD), welche die bisherige Richtlinie 2014/95/EU (Non-Financial Reporting Directive, NFRD) ersetzt.

2. Erweiterter Anwendungsbereich

Neu werden etwa 3'500 Unternehmen von der erweiterten Anwendung erfasst (heute ca. 300)! Erfasst werden – unter Vorbehalt der Ausnahmen (s. Art. 964b VE-OR) – (i) Publikumsgesellschaften (nach Art. 727 Abs. 1 Ziff. 1 OR) und Beaufsichtigte nach Artikel 3 FINMAG, oder (ii) Unternehmen, die bestimmte Schwellenwerte überschreiten (wirtschaftliche bedeutende Unternehmen, unabhängig davon, ob sie börsenkotiert sind!), d.h. die zwei von drei relevanten Grössen in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren überschreiten (CHF 25 Mio. Bilanzsumme, CHF 50 Mio. Umsatzerlös und 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt), oder (iii) die zur Erstellung einer Konzernrechnung (s. Art. 963 f. OR) verpflichtet sind und die vorerwähnten Schwellenwerte überschreiten.

3. Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte

Die Nachhaltigkeitsberichte müssen von einem Revisionsunternehmen oder einer Konformitätsbewertungsstelle geprüft werden. Welche Prüftiefe erfüllt werden muss, wird der Bundesrat noch festlegen. 

4. Comply or Explain

Die im geltenden Recht noch vorgesehene Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen auf die Berichterstattung verzichten zu können (Comply or explain-Ansatz), entfällt.

5. Standardwahl bei der Berichterstattung

Unternehmen in der Schweiz haben die Wahl, sich bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung entweder am EU-Standard (ESRS) oder an einem anderen gleichwertigen Standard (z.B. Global Reporting Initiative [GRI] Standard in Kombination mit den IFRS Sustainability Disclosure Standards des International Sustainability Standards Board [ISSB]) zu orientieren. Der Bundesrat wird die gleichwertigen Standards festlegen.

6. Neue Berichtsanforderungen

Die neuen erweiterten Anforderungen umfassen detaillierte Angaben über Umweltfaktoren, Sozial- und Menschenrechtsaspekte sowie Governance-Aspekte. Dies schliesst insbesondere die Berichterstattung über den Stand der Erreichung des Netto-Null-Treibhausgasemissionsziels bis spätestens 2050 ein (siehe dazu unseren Artikel: ESG: Von freiwilligen zu verpflichtenden Klima-Transitionsplänen in der Schweiz und der EU.

7. Doppelte Wesentlichkeit (Inside-out- und Outside-in-Perspektive):

Im Gegensatz zum geltenden Recht (s. Art. 964b Abs. 1 Satz 2 OR), in welchem das Prinzip der «doppelten Wesentlichkeit» auch schon gilt, soll mit der neuen Formulierung in Artikel 964c Absatz 2 VE-OR klargestellt werden, dass in Übereinstimmung mit dem EU-Recht jeder Wesentlichkeitsaspekt eigenständig zu betrachten ist, d.h. es müssen sowohl Informationen offengelegt werden, die nach beiden Aspekten wesentlich sind, als auch Informationen, die nur nach einem Aspekt wesentlich sind.

8. Bericht

Verlangt wird ein jährlicher, schriftlicher «Bericht». Es kann sich um einen separaten Bericht handeln oder die Angaben über Nachhaltigkeitsaspekte dürfen auch in den Lagebericht (Art. 961c OR) integriert werden, wenn die übrigen Anforderungen erfüllt sind (Format, Sprache, Genehmigung etc.).

9. Genehmigung

Der Bericht bedarf der Genehmigung durch das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan sowie der Generalversammlung. Dies entspricht den Vorgaben des geltenden Rechts (Art. 964c Abs. 1 OR). Es wird aber klar festgehalten, dass der Beschluss der Generalversammlung bindend ist (keine Konsultativabstimmung! Siehe auch unser Artikel: Non-Financial-Report nach dem OR: Pflichten von Generalversammlung und Verwaltungsrat. 

10. Übergangsbestimmungen

Für die Geschäftsjahre, die bei Inkrafttreten laufen, und für die Geschäftsjahre, die in den ersten zwei Jahren nach dem Inkrafttreten beginnen, gilt das bisherige Recht. Der Bundesrat wird das Inkrafttreten bestimmen. Danach haben die Unternehmen nach der Übergangsbestimmung somit zwei Jahre Zeit, um sich an das neue Recht anzupassen. Während dieser zweijährigen Anpassungszeit gilt das bisherige (geltende) Recht.

Diese Anpassungen sollen sicherstellen, dass die Schweizer Regelungen zur nachhaltigen Unternehmensführung international abgestimmt bleiben und den neuen EU-Vorgaben entsprechen.

Gerne unterstützen wir sie bei den Abklärungen, ob ihr Unternehmen neu unter die Berichterstattungspflicht fällt und welche zusätzlichen Anforderungen künftig erfüllt werden müssen.